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Selbstbild mit Zwillingen

Mit den Augen einer Schwangeren wirft Anna Katharina Laggner in ihrem Romandebüt „Fremdlinge“ einen lustvoll feministischen Blick auf die Gesellschaft

Im literarischen Betrieb liegen das Leben und das Überleben thematisch ja gerne nah beieinander. Wer kann schon von der Produktion schöner Literatur leben? Fast immer haben Autorinnen und Autoren einen Brotberuf, mit dem sie brotlose Kunst querfinanzieren. Anna Katharina Laggner ist nicht der Typ Mensch, der einen Brotberuf hat. Sie ist immer schon Künstlerin, Autorin, Schreibende. Und doch beschreitet sie mit ihrem bei Residenz erschienenen Buch „Fremdlinge“ neue Wege. Es ist ihr erster Roman. Und ihr Debüt in Sachen „Schöner Literatur“. Bislang war Laggner als Radiomacherin bekannt, gestaltete Sendungen für Ö1, schrieb über Film für FM4, gestaltete auditive Kunst.

Bekannt ist daher auch – und nicht zuletzt – ihre Stimme. Hörerinnen und Hörer, die diese kennen, sind bei der Lektüre klar im Vorteil. Denn diese Stimme sollten sie im Ohr haben, wenn ihre Augen den Text aufsaugen. Und aufsaugen, das werden sie! Mehr die Leserinnen- als die Leseraugen, vielleicht, denn „Fremdlinge“ ist ein autofiktionales Buch über Schwangerschaft, genauer: eine Zwillingsschwangerschaft. Aber es ist auch ein Buch über das Mensch-Sein, Frau-Sein, Feministin-Sein, Mutter-Sein und noch mehr über ein feministisches Mutter-und-Frau-und-Schwanger-aber-trotzdem-einfach-ein-Mensch-Sein, einer, der sich selbst gehört: ein Buch über das Leben, das Überleben und gegen das Gelebt-Werden.

Das erzählende Ich ist nicht Anna Katharina Laggner: Sich selbst, sagt sie bei der Buchpräsentation fast kokett, kenne sie gar nicht so gut wie dieses Ich, das da spricht im Buch. Und doch spricht dieses Ich mit einer bekannten Stimme: frech durchaus und sehr ernsthaft zugleich, voll Esprit und voll Leben, dazu ein Hauch rotziger Trotz, ein Tropfen honigwarme Generosität und ein gut ausgewachsener Schalk, der vom Nacken her die Stimmbänder kitzelt.

Voll Witz erzählt Laggner von körperlichen und gesellschaftlichen Zumutungen, die nicht selten ineinander greifen (z.B. ungefragt auf ihren Bauch), sie protestiert über vermeintliche Selbstverständlichkeiten, die sich nicht mit ihrem Selbstverständnis decken, über Vorhaltungen und Zuschreibungen, zieht ihre Grenzen und berichtet lachend oder weinend, wie das Leben sie immer wieder über diese drüberschubbst.

Wer das Wagnis eingeht, sich fortzupflanzen, begibt sich auf nicht nur ideologisch vermintes Terrain. Vereinnahmung wird spürbar, geradezu körperlich. Laggners Buch ist Selbstermächtigung: ein lauter Widerspruch, der den Körper und das Leben der Protagonistin den gesellschaftlichen Framings entzieht, Satz für Satz aus den Rahmen rückt, die vorgezeichnet scheinen. Und zugleich ein Protokoll des (Über-)Lebens: als Paar, als Familie, als soziales Subjekt und Leistungsträgerin in einem ökonomischen System, das Leistung selten fair bewertet. Insofern doch auch ein Buch für jedermann – und nicht nur -frau. Wärmste Empfehlung!

 

Hermann Götz

 

Anna Katharina Laggner: Fremdlinge. Residenz Verlag: Wien-Salzburg 2023

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