Pflegen, kümmern, Care-Arbeit. Oder aber: ein Denken, das uns die Furcht einflüstert. Dass wir uns um jemanden sorgen und um jemanden sorgen – also Sorgen machen – geht vielfach Hand in Hand. Ganz persönlich – und gesamtgesellschaftlich: Sind nicht all jene Bereiche, die sich der Sorge im klassischen Sinn widmen, auch jene, um die wir uns gerade die größten Sorgen machen (sollten)? Pflegeheime und Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser; systemisch gedacht: (Aus-)Bildung, Gesundheitssystem, Pflege. Überall Mangelwirtschaft, alles kracht, alles an allen Ecken und Enden schlecht versorgt.
Zugleich zeitigt die zunehmende Sorge um den Care-Bereich einen Paradigmenwechsel. Noch nie zuvor war mehr davon zu lesen und zu hören. Über Care-Arbeit wurde nicht gesprochen, erst recht nicht geschrieben. Was nicht zuletzt mit der Unsichtbarkeit der (fast ausschließlich) weiblichen Personen zu tun hatte, in deren Händen sie lag und immer noch meistens liegt. Nun ist sie zentraler Bestandteil öffentlicher Debatten. „Care“ ist der sozialwissenschaftlichen Forschung entwachsen, dritt als Fokus und Arbeitshypothese in Architektur und Städteplanung ein: Erdbebensichere Dorfentwicklung oder das Sitzbankerl zum Verweilen für ältere Menschen, durchmischte Stadtquartiere oder die Revitalisierung historischer Bewässerungssysteme sind nur unterschiedliche Ausprägungen des Sorgetragens.
So ist die Sorge im Moment recht hip und positiv konnotiert. Und doch bleibt sie im Wortsinn wertfrei. Vom sympathisch bis schrullig daherkommenden Kulturpessimisten, reicht die Bandbreite bis zum vielzitierten „besorgten Bürger“, der dann doch recht rasch zum Wutbürger mutiert.
Besorgte Bürger:innen und wütende Wähler:innen haben inzwischen weltweit für politische Situationen gesorgt, die täglich neuen Grund zur Sorge geben. Die „Sorge um unsere Kinder“ führt dazu, dass sich Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht mehr auf die Straße trauen (oder das unter gewissen Umständen auch nicht mehr dürfen), die Sorge ob der Wirtschaftszahlen, insbesondere im Bereich der Öl- und Autoindustrie, hat jene um das Weltklima neutralisiert – und wenn man Sorge „Wokeness“ nennt, wächst sie höchstselbst zum Feindbild heran.
Und was, wenn man sich zu viele Sorgen macht? Die Gesellschaft ist „krank vor Sorge“, könnte man meinen. Und dabei wächst die subjektiv empfundene Sorge ständig, genauso wie die Zahl der diagnostizierten Angststörungen. Da könnte man sich wirklich Sorgen machen.
Einsendeschluss ist der 10. September 2025
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