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Heft 38

Erschienen in Heft 38/39, aus der welt (Doppelnummer 38/39)
Ressort: Rezensionen

Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry

Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst.

Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt und in niederschwelligen Live-Formaten gerockt wird, hat hierzulande eine Tradition, die – in dieser kompetitiven Form – gut 20 Jahre alt sein dürfte. Verantwortlich dafür sind an vorderster Front Künstlerinnen und Künstler wie Mieze Medusa oder Markus Köhle, die der Sache schon früh einen Stups gaben und sie bis heute kuratorisch wie auch als Akteure begleiten. Köhle hat nun bei Sonderzahl ein Buch vorgelegt, das als Blick auf die literarische Verwurzelung seines eigenen Schreibens und seiner performativ gelebten Poesie in vieler Hinsicht aufschlussreich ist. Zurück in die Herkunft nennt er diesen seinen „Nabelschaulauf zu den Textquellen“.

„Ich komme von Tolstoi, ich komme von Homer, ich komme von Cervantes“, hat ein gewisser Peter Handke (nicht zu verwechseln mit dem Wiener Finanzstadtrat, der heißt nur so ähnlich) bekundet und sich oder seine Standpunkte damit im Bereich immerwährender Bedeutsamkeit verortet. Da tickt Köhle ganz anders, wenn er seine literarische Herkunft thematisiert. Schließlich versteht sich die Slamily, wie sich die (Poetry-)Slam-Blase liebevoll selbst tituliert, als Fluchtbewegung aus dem Elfenbeinturm und legt gern mal Wert auf ernst gemeintes Understatement. Wenn Markus Köhle in seinem Buch also augenzwinkernd zu einem Ausflug in die jüngere Literaturgeschichte einlädt, in dem er sein ganz persönliches Verhältnis zu einigen ihrer kreativsten Vertreter offenlegt, so ist diese Annäherung oft irgendwo zwischen liebevoller Verhunzung und verspieltem Plagiat einzuordnen. Absichtsvoll outet sich Köhle hier als Epigone – von so vielen (und so vielen Großartigen) wie Gert Jonke, Elfriede Gerstl, Gerhard Rühm, Friederike Mayröcker, Ernst Jandl, Bodo Hell, Otto Grünmandl. Aber er reibt sich auch an Thomas Bernhard, lässt uns Heidi Pataki entdecken und Rose Ausländer, verhält sich zu Barbara Frischmuths Garten und deutet Herkunft immer wieder auch außerliterarisch: bezogen auf seinen Geburtsort Nassereith im Tiroler Transit-Bezirk Imst oder auf die dortige – ebenfalls recht epigonale – Grungekultur der 1990er-Jahre.

Slam-Texte – und als solche kommen die meisten in diesem Buch daher – präsentieren sich dabei auch als Hallraum und Fleischwolf für all das Gelesene, das dem Autor im Kopf herumhüpft und -spukt. Zugleich erhalten Köhles rotzige Gratwanderungen zwischen Genie und stilistischer Genügsamkeit ein Referenzsystem, das dazu einlädt, sie genauer zu betrachten, als es die Performance-Situation sonst zuließe. (Dennoch gewinnt das Buch zweifellos, wenn es mit gutem Tempo und ausreichend laut der Nachbarschaft vorgetragen wird.) Dabei leuchten immer wieder literarische Glücksmomente auf, die zu entdecken sich absolut lohnt! Und last, but not least versammelt Zurück in die Herkunft zwischen seinen griffig-weichen Buchdeckeln (Umschlag von Matthias Schmidt) eine wunderschöne Zusammenschau schwerpunktmäßig österreichischer Sprachkunst, die so noch nie vor- oder nachgestellt wurde. (Da haben dann auch die Nachbarn was davon – bildungsmäßig sozusagen;)

Rezensionen

Buch

Olaf Olafsson:
Berührung

2024: Berlin, S. 335
rezensiert von Hannes Luxbacher

Die Liebe in der Krise Olaf Olafsson verschränkt in seinem Roman „Berührung“ den Lauf der Liebe mit der Covid-Pandemie Es ist der Reiz des Bedächtigen, dem man in Olaf Olafssons

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Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
rezensiert von Hermann Götz

Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

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Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

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Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
rezensiert von Lisa Höllebauer

Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

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Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

Buch

Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
rezensiert von Stefan Schmitzer

Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

Buch

Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

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