Dreizehn
Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes.
„Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“
Kommt Ihnen bekannt vor? Schreibt jemand wie Sabine Haupt einen Text, der sich sachte, aber doch deutlich an Kafka anlehnt, legt sie das offen und zitiert den Meister – wenn auch kunstvoll und in sprachlich eleganter Variation. Damit ist schon viel gesagt. Über Haupts Stil im Allgemeinen und erst recht über ihren Erzählband „Die Zukunft der Toten“. 13 Texte umfasst das im „verlag die brotsuppe“ erschienene Buch, jeder für sich eine stilsicher abgerundete Sache, jeder sprachlich fein ziseliert und auf sein Thema abgestimmt. Haupt malt starke träumerische Bilder und schafft so immer wieder eine Intimität und zugleich Leichtigkeit, die den oft schweren, ja dunklen Themen ihrer Erzählungen sehr gut steht. Große Texte über die schonungslose Trivialität des Sterbens oder den schweren Schatten sexuellen Missbrauchs stehen dabei neben lustvoll Launigem.
„Es hat gewisse Vorteile mit einem Mann zusammenzuleben. Sex bekommt man überall, aber einen guten und verlässlichen Handwerker zu finden, das ist schon ein sehr viel komplexeres und anspruchsvolleres Problem.“
Kommt Ihnen bekannt vor? Mag sein, dass Haupt auch hier zitiert, dann wohl aus einer üppig illustrierten Zeitschrift für weiblich gelesene Heteros 40 plus. Die voll Ironie vorgetragene Satire, die sich naturgemäß um das quasi magische Eigenleben technischer Gerätschaft dreht, bildet einen deutlichen Kontrast zur sonst so vorsichtigen Annäherung an die dunkleren Seiten des Da- oder Aus-der-Welt-Seins: an sadomasochistische Abhängigkeiten oder den Verfolgungswahn weltabgewandter Prepper. Das Abwenden von der Welt, das Sich-Verlieren im Abseitigen zieht sich als ein wesentlicher Topos durch Haupts Geschichten und bildet so eine motivische Klammer. Wie die träumerischen Bilder, die gerne ein Eigenleben entfalten, sich gewandt um die Sätze winden und sie so dem finsteren Sog der Betroffenheit entziehen.
Zugleich scheint die zuletzt zitierte „Rache der Hausgeister“ auch ein Licht auf die Erzählerin zu werfen. Ist es z. B. dieselbe, die aus Therapeutinnenperspektive über die verdrängte Sexualität einer (muslimischen) Jugendlichen schreibt? Wie würde sich dieser Text lesen, erzählte ihn die forsche Stimme einer 20-jährigen Berlinerin mit türkischen Wurzeln? Haupts Büchlein lädt dazu ein, das Sinistre in eine heile Welt einbrechen zu lassen. Dem folgen auch die Illustrationen Frank Leopolds, die die Texte in (bewusst?) schlechter Reproduktion begleiten und leise Irritationen feiern. „Die Zukunft der Toten“ lässt die dunkle Seite des Mondes ins aufgeräumte Schlafzimmer blinzeln, leise flattern die Gardinen.