Teil ein Klischee
Andreas van Hoovens Debütroman Stadt der Platanen
„Im Grunde besitze ich einen Ruhepuls von 57 Schlägen.“ Mit diesem Satz hebt Andreas van Hoovens Debütroman an und es ist umgehend klar, dass die tatsächliche Frequenz wohl höher sein dürfte. Doch was ist schuld daran? Erpressung? Ein bevorstehender Meteoritenschauer? Harndrang? Nein, es ist schlicht und einfach die Berufsbranche, die der namenlos bleibenden Hauptfigur in Stadt der Platanen das Herz beschleunigt. Als Werbegrafiker im Berlin der 1990er-Jahre, als das Marketing-Beast noch gezähmt werden musste und Werbung zu einem nahezu popkulturellen Phänomen wurde, mit dem man Geld, sehr viel Geld, machen konnte und in dem Drogen, viele Drogen, keine unwesentliche Rolle spielten, musste man mit silber gefärbtem Haar etwas erhöhten Puls in Kauf nehmen. It’s a dirty business, warum sollen da die Blutbahnen sauber bleiben? Was in der Anlage auch ein Abrechnungsbuch mit einer Branche hätte werden können, wie in Frédéric Beigbeders Neununddreißigneunzig, wird bei Andreas van Hooven zu einer Nabelschau des Protagonisten.
Nächtliche kokaingeschwängerte Ausfahrten mit dem Teleskop, fundierte Inkompetenz in Fragen betreffend Paarbeziehung, Oberflächlichkeit als bevorzugte Verhaltenseinstellung – es sind diese Themen, die dem Roman zugrunde gelegt sind. Die Stimmung der Zeit dringt als Hintergrundrauschen durch, ausgearbeitet wird sie nicht, denn die Hauptfigur ist primär mit sich beschäftigt, Reflektieren ist tendenziell nicht ihre Stärke, selbst nach dem Verlust des Jobs und der folgenden Anstellung in einem Callcenter bleibt der Lebensstil des Werbetreibenden aufrecht. Dass der Porsche, gebraucht, mit einem VW-Motor auskommen muss, ist hier ein so schönes wie bezeichnendes Sinnbild.
Die Geschichte des Romans selbst ist ähnlich stockend. Van Hooven hat den Text bereits vor längerer Zeit begonnen, das Buch aber trotz Unterstützung durch eine der ersten und dereinst renommiertesten Agenturen nicht an einen Verlag bringen können. Überarbeitet und Jahre später erschien die Stadt der Platanen nun im Eigenverlag als Book-on-Demand. Ein paar Kürzungen durch ein Lektorat hätten dem Roman gutgetan, denn zwischendurch dümpelt das Buch etwas ereignis- und belanglos zwischen Nabelschau und hedonistischer Kapitalismus-Affirmation herum, ehe es im letzten Drittel nochmals Fahrt aufnimmt. Das Gefühl der Unbesiegbarkeit kombiniert sich plötzlich mit einer latenten Einsicht in die Verletzbarkeit und die depressive Farbnuance, die unheilvoll immer wieder in Erscheinung trat, wird handfester. Die schöne Oberfläche mag scheinen, but the stars are out tonight!