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Heft 29

Erschienen in Heft 29, verspielt
Ressort: Rezensionen

Patricia Brooks:
Die Grammatik der Zeit. Roman

rezensiert von Hannes Luxbacher

Das Leben, diese vertrackte Spirale

Patricia Brooks verschiebt in ihrem Roman Die Grammatik der Zeit gekonnt Zeit- und Realitätsebenen

Bei Borges heißt es so schön, dass das Unglück begann, als die Türe unbeabsichtigt offen stand und jemand unvorhergesehenerweise durch sie eintrat. Ähnlich ist es bei Patricia Brooks und ihrem aktuellen Roman Die Grammatik der Zeit, nur dass hier anstatt konkreter Personen – die treten natürlich auch ein und auf – Möglichkeiten ins Leben der namenlosen männlichen Hauptfigur, um die 30 Jahre alt, in der IT-Branche tätig, treten, die so real wie geträumt sein können. Zeitachsen? Verschieben sich ineinander, die Vergangenheit überholt die Zukunft rechts und umgekehrt. Wirklichkeit? Kann sein, kann aber auch geträumt sein oder virtuelle Realität, parallel verlaufend, getarnt durch Algorithmen. Die Grammatik der Zeit ist ein Vexierspiel der Realitäten, durchexerziert anhand einer Paarbeziehung und deren Schwierigkeiten.

Der namenlose Protagonist wird von seiner Lebensgefährtin Silvie verlassen. Sie geht nach New York, er bleibt in Wien, leitet dort seine IT-Firma und beginnt die Programmierung eines Computerspiels und zieht sich dafür immer wieder einmal in das Salzkammergut zurück. Was im Computerspiel ein nicht ausfindig zu machender Bug ist, der das zu steuernde Auto unlenkbar macht, ist in der Wirklichkeit ein Unfall, der das Leben der Hauptfigur weiter verkompliziert. Im Salzkammergut lernt er die Tänzerin Carlos kennen und lieben, diese wiederum entwickelt einen Verfolgungswahn vor einer nicht näher zu fassenden männlichen Gestalt, die sich im Fortlauf des Romans als … der namenlose Protagonist herausstellt.

Wie in diesem Fall, so kippen auch andere Ebenen wie ein Vexierbild hin und her. Dinge verschwinden und tauchen wieder auf, Personen sind so real, wie sie auch dem zu programmierenden Spiel entsprungen sein könnten, und der Satz „In der digitalen Welt läuft es für mich besser als in der echten“ beschreibt am besten, was in der Grammatik der Zeit vor sich geht: Es vermengen sich Realität, Traum und die virtuelle Welt. Personen können real sein, wie sie auch fantasierte Projektionen sein könnten.

Patricia Brooks gelingt es, die Ebenen des Romans derart geschickt ineinander zu verweben, dass man als Leser zum einen den Überblick nicht verliert und zum anderen die Überraschung, die sich am Ende auftut, nicht vollständig zu antizipieren in der Lage ist. Wie schon in ihren Vorgängerwerken Kimberly und Garten der Geschwister gelingt der Autorin auch mit der Grammatik der Zeit ein überzeugendes Spiel mit der Realität, Wunschträumen und virtuellen Parallelwelten und verhandelt dabei gleichzeitig große ewige Themen wie Beziehungen, Einsamkeit, Verlassensängste oder berufliche Karrierewege. Die Grammatik der Zeit ist ein weiteres überzeugendes Werk aus dem Brooks’schen Kosmos.

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
rezensiert von Hermann Götz

Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

Buch

Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

Buch

Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
rezensiert von Lisa Höllebauer

Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

Buch

Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

Buch

Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
rezensiert von Stefan Schmitzer

Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

Buch

Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

Buch

Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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