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Heft 28

Erschienen in Heft 28, wie meinen?
Ressort: Rezensionen

Fanny Blisset:
Jesuitenwiese. Ein leicht revolutionärer Poproman

rezensiert von Heimo Mürzl

Subversion auf der Jesuitenwiese

Vom Kampf um gesellschaftliche Veränderung

„Liebe Freundinnen, wenn ich an die letzten 25 Jahre zurückdenke, hatte ich eigentlich immer einen politischen Plan der Gesellschaftsveränderung. Große Hoffnungen hab ich dabei in die Jugend- und Popkultur gelegt, aber viele dieser Hoffnungen scheinen sich inzwischen aufgelöst zu haben. Deshalb möchte ich einen Roman schreiben und kann mir gut vorstellen, dieses Projekt im Team anzugehen.“

Diese Sätze standen am Beginn eines sehr vagen Projektes von drei in der akademisch-linken Szene beheimateten Personen, die weder den Kampf um gesellschaftliche Freiräume noch die Sehnsucht nach einer „anderen“, einer „besseren“ Gesellschaft aufgeben wollten. Christian, Reinald und Karin, so die Namen der Protagonisten und Alter Egos der Buchautoren, alle Mitte bis Ende dreißig, miteinander befreundet und seit vielen Jahren gesellschaftspolitisch aktiv, schließen sich zu einem Autorenkollektiv zusammen und schreiben und veröffentlichen unter dem Pseudonym Fanny Blissett einen „leicht revolutionären Poproman“, wie der Untertitel von Jesuitenwiese anspielungsreich und selbstironisch verspricht.

Fanny Blissett – eine wohl feministisch grundierte Anspielung auf das in den 1990er-Jahren erfolgreiche anarchistische italienische Künstlerkollektiv Luther Blissett – verwebt in Jesuitenwiese persönliche Erfahrungen, politische Anekdoten, historische Fakten ebenso gekonnt wie humorvoll mit der Analyse der Poptheorie und der sehr oft erfolglosen Bemühungen der urban-linken Szene, die Gesellschaft doch ein wenig nach ihren Vorstellungen zu verändern. Als literarischer Kitt dient eine etwas aufgesetzt wirkende Krimihandlung rund um die verschwundenen Milliarden der KPÖ. Dreh- und Angelpunkt des Romans ist die von Legenden umrankte Jesuitenwiese im Wiener Prater. Dort findet seit 1946 das kommunistische Volksstimme-Fest statt, die Wiese gilt als kollektiver Sehnsuchtsort für linke Utopien der Gesellschaftsveränderung.

Das Autorenkollektiv setzt sich in seiner literarischen Zeitdiagnose nicht nur mit der Relevanz sozialer Bewegungen und den unterschiedlichsten Ausprägungen von Pop-, Sub- und Gegenkultur auseinander, sondern auch mit den Schwierigkeiten und Möglichkeiten kollektiven Schreibens. Erzählt wird dabei vor allem von der zwischen Anpassung, Unbehagen und offener Gegnerschaft changierenden Beziehung zum politischen und gesellschaftlichen Status quo. Die gewünschte und erhoffte Veränderung wird jedoch nicht nur in die Zukunft projiziert, sondern vollzieht sich im Hier und Jetzt: Sie geschieht bei Zusammenkünften und bei der Pflege der gemeinsamen Interessen – Popmusik, Politik und Alltagskultur. Hinter der Fassade gegen- kultureller Anti-Haltungen verbirgt sich neben einiger Abgebrühtheit, viel Sarkasmus und noch mehr (Selbst-)Ironie immer eine große, unstillbare Sehnsucht, die übergangslos zwischen Zorn und Trauer, Sentimentalität und Aufbruchsstimmung, Subversion und Resignation changiert.

Auch wenn die Krimihandlung um die verschwundenen Milliarden vor Formelhaftigkeit nur so strotzt und der böse „Rechte“ aus dem Heeresnachrichtenamt und der triebhaft-gewiefte Unternehmer allzu klischeehaft gezeichnet sind: Dieser „leicht revolutionäre Poproman“ unterhält, regt zum Nachdenken an, und die Lektüre macht Spaß und ein wenig Hoffnung. Das Buch ist eine menschenfreundliche Hommage an all jene, die den gängigen Erfolgsmustern nicht gedankenlos folgen, sondern ein Leben abseits der Hauptstraße anstreben.

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
rezensiert von Hermann Götz

Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

Buch

Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

Buch

Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
rezensiert von Lisa Höllebauer

Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

Buch

Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

Buch

Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
rezensiert von Stefan Schmitzer

Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

Buch

Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

Buch

Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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