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Heft 27

Erschienen in Heft 27, zweifelhaft
Ressort: Rezensionen

Elke Laznia:
kindheitswald. Roman

rezensiert von Heimo Mürzl

Vom Vergeben und Entkommen


In Elke Laznias Prosadebüt tun sich viele dunkle Seiten auf

Elke Laznia hat sich in ihrem beeindruckend-bedrückenden Debüt kindheitswald bekannter und in der österreichischen Literatur sehr beliebter Leitmotive angenommen: der Auseinandersetzung mit Familie, Heimat und Kindheit, ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit und geographischen Verortung. Die unerbittliche Klarheit und verstörende Kompromisslosigkeit, mit der Laznia den dunklen Geheimnissen und bleibenden Verletzungen einer gewalttätigen und beängstigenden Vergangenheit nachspürt, überzeugt mit gelungenen Verknüpfung von inhaltlicher Radikalität und sprachlicher Intensität. Zugänglichkeit kann man dieser Prosa nicht zuschreiben, wie man sie auch nicht dem realistischen Erzählen zurechnen kann.

Das Buchdebüt der 40-jährigen Kärntner Autorin, die in Salzburg lebt und arbeitet, umfasst neun Kapitel; die vom Verlag gewählte Bezeichnung Roman ist wohl in erster Linie der besseren Verkaufbarkeit geschuldet. Beeindruckend und lesenswert ist das Buch trotz der missverständlichen Gattungsbezeichnung allemal, und die mitunter schwierige und mühsame Lektüre der 128 Seiten lohnt sich trotz aller Warnungen der Autorin: „Ihr könnt mich nicht lesen, nicht einteilen, nicht quer lesen, nicht vorhersehen. Auf dass ich nicht beliebig werde.“

Die Ängste und Verletzungen der Kindheit und Vergangenheit werden von Elke Laznia nicht im verständnisvollen Licht der erwachsenen Gegenwart präsentiert, sondern gleichen einer kompromisslosen literarischen Reise zum Herz der Finsternis. stirb doch, das erste Kapitel des Prosabandes, das ein letztes Gespräch zwischen Tochter und Vater – den die Erzählerin nur in der unpersönlichen Form als „der“ zu benennen gewillt ist – in den Mittelpunkt rückt, fesselt den Leser von den ersten Sätzen an. Laznia bedient sich des Kunstgriffs der Verdichtung und Verknappung. Indem sie alles bis auf das Notwendigste sprachlich reduziert, die Tragödie in ein Geflecht aus gedrängt-präzisen Sätzen packt, vermag sie es mit wenigen Sätzen einen literarischen Sog zu erzeugen, dem man sich als Leser nur sehr schwer entziehen kann.

Das letzte Gespräch zwischen Tochter und Vater gleicht in seiner brutalen Direktheit und kompromisslosen Unerbittlichkeit einem menschlichen Endspiel mit letalem Ausgang: „Der stirbt. Hat er mir nicht gesagt, aber ich weiß es.“ Unausgesprochenes schwingt mit, die konsequente Rohheit erstaunt und macht kurzzeitig sprachlos: „Ich habe noch immer das Gesicht von ihm. Stirb mir aus meinem Gesicht.“ Der Abschied von Haus und Hof steht am Beginn einer zunehmenden Vereinsamung, deren ständige Begleiter Angst, Lieblosigkeit und gegenseitige Zurückweisung sind. „Es sind die kleinen Lieblosigkeiten, die mir in der Seelenvene steckenbleiben“, heißt es in einem Kapitel, und im Schlusskapitel was mich noch hält schließt sich der Kreis, und der Blick bleibt unter dem Einfluss von realen Ängsten und gefühlten Bedrohungen verengt und düster: „Such nach meinem Blick. Frag mich nach meiner Angst. Frag nach den Namen meiner Angst. Es sind viele. Dann werde ich zu sprechen beginnen. Und nicht mehr aufhören. Sprechen wir einander von der Angst.“

Elke Laznias kindheitswald gleicht einem literarischen Albtraum ohne sanfte Verklärung und scheint nur für hartgesottene Leser geeignet zu sein – ist das Buch doch mit einem Hang zur Trostlosigkeit durchgehend in Moll-Tönen gehalten. Halt und Hoffnung vermag man als Leser in diesem Buch nicht aufzustöbern, dafür aber eine verbindliche Dringlichkeit und ein schmerzhaftes Welterkennen von der dunklen Seite her.

Rezensionen

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Olaf Olafsson:
Berührung

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Die Liebe in der Krise Olaf Olafsson verschränkt in seinem Roman „Berührung“ den Lauf der Liebe mit der Covid-Pandemie Es ist der Reiz des Bedächtigen, dem man in Olaf Olafssons

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Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

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Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

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Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

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Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

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Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

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Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

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Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

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