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Heft 25

Erschienen in Heft 25, schön blöd
Ressort: Rezensionen

Stefan Bergsmann:
Aufgestaut. Prosa

rezensiert von Werner Schandor

Das Übel der fehlenden Untertasse

Profunde literarische Kritik an den Scheinwelten von Großunternehmen

Stefan Bergsmann ist im Zivilberuf Unternehmensberater in Wien, er kennt sich also mit den Realitäten von Bürojobs in heimischen Firmen bestens aus. In seinem Prosaerstling Aufgestaut macht diese Angestelltenwelt aber gar keine gute Figur: Sie ist das Habitat von intriganten, sich selbst überschätzenden, wehleidigen Typen in teuren Anzügen, die sich und ihre „Leistungen“ in strahlendem Licht präsentieren, aber in Wahrheit nur heiße Luft von sich geben und nichts zusammenbringen.
Hauptfigur des 70 Seiten kurzen Prosatextes ist ein leitender Angestellter in der Wiener Filiale eines weltumspannenden Konzerns. Wie jeden Tag bleibt unser Schreibtischheld auf dem Weg zur Arbeit bei einer Stadteinfahrt im Stau stecken. Während der Verkehr zum Stillstand kommt, beginnen die Gedanken im Kopf des Helden zu rotieren. „Er hielt das Tempo nicht mehr aus. Und er hielt den Stillstand nicht mehr aus. Es war zu viel. Zu schnell, zu statisch. Zuviel Stillstand auf der Überholspur.“

Bald merkt man, dass man einen typischen Vertreter aus Management und Marketing vor sich hat, wie sie uns auf Job- und Karriereseiten großformatiger Tageszeitungen als leuchtende Beispiele gewinngenerierenden Wirtschaftswaltens präsentiert werden. In Wahrheit ist sein Hirn voller Klischees: Er glaubt an seinen Alfa mit Sportfahrwerk und Alufelgen und seine Breitling-for-Bentley-Uhr am Armgelenk; er führt inhaltlose, aber wichtig klingende Telefongespräche mit seinem Chef und quagelt lächerliches Den lisch, wenn er sich ausrechnet, wie viel Produktivität im Stau verpufft – „… dann wären das so roundabout […] 700-750 verlorene Arbeitsstunden …“.
Sein Job ist es, Abläufe in seinem Unternehmen zu verbessern und Aufträge zu lukrieren. Und zunächst scheint es, als würde er diesen Job gut machen. Zumindest klingt alles wie ein Erfolg. Da gab es zum Beispiel das Projekt, das sein Vorgänger in den Sand gesetzt hatte. Und ihm gelang es, mit dem verärgerten Kunden wieder ins Gespräch zu kommen. Dass er letztlich mit seinem Angebot eine Abfuhr erhielt und ein anderes Unternehmen den Zuschlag – naja, Pech. Aber zumindest gibt es jetzt einen Fuß in der Tür, nicht wahr? Oder die Sache, wo er vorschlug, ein Problem, das sich im Unternehmen zeigte, mit einer Kennzahl transparent zu machen … super Idee! Wenn nur die Kollegen diesen Vorschlag nicht so lange abgeändert und kompromittiert hätten, bis nichts mehr davon übrig blieb. Es ist zum Haare Raufen! Trotzdem ist er „davon überzeugt, dass allein die Leistung zählte – zumindest langfristig.“ Und gleichzeitig weiß er, weiter kommt man nur, wenn man dem nächsten Vorgesetzten beim Mittagessen oder sonstigen Gelegenheiten in den Allerwertesten kriecht.

Was Bergsmann in seinem literarischen Debüt an authentischem Wahnsinn zu Papier bringt, wird jedem bekannt vorkommen, der Gelegenheit hatte, in oberen Etagen größerer Firmen Büroluft zu schnuppern. Leider konnte der Autor der Versuchung nicht widerstehen, seine beißende Satire ins Kabaretthafte auszubuchten – etwa wenn der Held meint, das Übel der schnelllebigen Zeit lasse sich daran erkennen, dass die Leute in den Büros beim Kaffeetrinken zunehmend auf die Untertassen verzichten. Aber insgesamt ist die Rollenprosa von Aufgestaut absolut lesenswert: ein entlarvender Blick hinter die Spiegelglasfassaden heimischer Bürotürme.

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
rezensiert von Hermann Götz

Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

Buch

Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

Buch

Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
rezensiert von Lisa Höllebauer

Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

Buch

Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

Buch

Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
rezensiert von Stefan Schmitzer

Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

Buch

Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

Buch

Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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