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Heft 27

Erschienen in Heft 27, zweifelhaft
Ressort: Rezensionen

Alfred Goubran:
Durch die Zeit in meinem Zimmer. Roman

rezensiert von Heimo Mürzl

Kafkaeskes Schlawinertum

Alfred Goubran, der große Unangepasste, pflegt einmal mehr sein Faible für den unkonventionellen Blick

Alfred Goubran, als Verleger, Essayist, Übersetzer, Singer/Songwriter und Autor seit jeher ein Unangepasster mit einem Touch Exzentrik und dem Blick für das Unkonventionelle, hat mit seinem zweiten Roman Durch die Zeit in meinem Zimmer ein ebenso artifizielles wie amüsantes Kunstwerk geschaffen, ein mitunter irrlichterndes Gedankenspiel gegen alle Lese- und Denkgewohnheiten. Bei Goubran muss man stets gewärtig sein, dass Geschichten und Gedanken unberechenbar verlaufen. Unvermittelt nehmen sie eine Wendung ins Surreale, Aberwitzige oder Groteske und oszillieren zwischen beklemmenden Überlebensfragen und euphorisiertem Überschwang. Alfred Goubran widmet sich literarisch nicht das erste Mal dem Sperrigen und Randständigen – verlässt er doch bevorzugt den Pfad des Gewohnten und bürstet seine Literatur gern gegen den Strich. So gerät auch sein zweiter Roman zu einem ambitionierten literarischen Werkstück zwischen Roman, Reportage, Sozialstudie und philosophischer Abhandlung. „Das Leben, das man sich schuldig geblieben ist, das ungelebte, das nicht gelebte Leben, das man sich aus diesen oder jenen Gründen aufgespart hat, in jedem Fall aber, um im Bequemen zu bleiben.“

Die Handlung: Elias will nichts mehr zu tun haben mit der Welt der Geschäftigen und Nützlichen. Nachdem er die Schulausbildung abgebrochen hat, dient ihm ein einst von seinem Vater „als Investition gekauftes Zimmer“ als Unterkunft. Das Wenige, was er zum Leben braucht, besorgt er sich in Müllcontainern, Billigläden, von Freunden und Bekannten und aus dem Erlös aus Gelegenheitsjobs. In Elias schlummert der Kern des Aufruhrs und des Widerständigen nicht nur – er versucht aufmüpfig und stur sein „eigenes Reich“ zu errichten. Sich nicht in ein abgesichertes und ungewolltes Leben zu fügen. Elias verlässt sein Zimmer kaum mehr, schläft viel, träumt gern und philosophiert und deliriert Tag für Tag, ohne sich konkreten Zukunftsplänen widmen zu müssen. In seiner Welt bilden Pflicht und Ordnung keine Kategorien, die selbstgewählte Einsamkeit wird nur von den gelegentlichen Besuchen von Carmen, Claudia, Martha und Rosemarie unterbrochen. Das Leben ohne Verpflichtungen, ohne Regeln und ohne feste Bindungen gerät erst durch die zwischenzeitliche Lagerung einiger Marihuanasäcke eines Freundes ein wenig aus den Fugen, da ihm der Verkauf der Marihuanasäcke die Möglichkeit bieten würde, die auf Dauer doch beengte Welt seines Zimmers zu verlassen. „Die Zeit der großen Gruppen war vorbei. Gegnerschaft, Widerstand war nur noch Behauptung des Anders-Seins, einer Unangepasstheit, die man sich zu bewahren suchte.“ Um den Winter in seinem Zimmer gut zu überstehen, verheizt Elias sogar seine Bücher und die Obstkisten, die ihm als Bücherregal dienten. Schließlich nimmt er – ob in den Fieberträumen des schwer erkrankten Romanprotagonisten nur halluziniert oder doch real, lässt der Autor offen – einen Zug Richtung Meer, der ihn aber in ein Skigebiet führt. Nach einer anschließenden Busfahrt über den Grenzpass schlägt sich Elias zu Fuß durch die vereinsamte und unwirtliche Bergwelt, ehe er auf den Spuren einer geheimnisvollen Alten im „Schwarzen Schloss“ landet und damit in der „Obhut“ der Schlossbesitzerin Isabel, die sich als Hirnforscherin vorstellt und als Privatgelehrte erweist.

Goubran schreibt über „Menschen im Übergang, die an den Rändern und im Ungesicherten leben“. Elias, der zeitweise in einer halluzinierten Zwischenwelt agierende Protagonist, ist eine typische Stellvertreter-Figur, die mit dem Leser durch Zeiten und Möglichkeiten reist. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit mehr und mehr, und dem literarischen Exzentriker Goubran gelingt ein gewagter Brückenschlag zwischen Experimentierfreude, Gesellschaftsanalyse und kafkaeskem Schlawinertum.

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
rezensiert von Hermann Götz

Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

Buch

Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

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Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
rezensiert von Lisa Höllebauer

Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

Buch

Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

Buch

Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
rezensiert von Stefan Schmitzer

Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

Buch

Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

Buch

Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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