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Heft 27

Erschienen in Heft 27, zweifelhaft
Ressort: Rezensionen

Andrea Stift:
Wilfert und der Schatten des Klapotetz. Ein Südsteiermark-Krimi

rezensiert von Werner Schandor

Geht runter wie Bier

Ein liebenswerter Loser und ein subversiver Heimatzugang

Regionalkrimis stehen derzeit hoch im Kurs. In ihnen verbindet sich das Bedürfnis nach dem guten alten Heimatgefühl, das realiter dem Zerbröseln ausgesetzt ist, mit jenem nach einer – meist als Detektiv oder Kommissar auftretenden – markanten Persönlichkeit, die unter den weichgespülten Charakteren, die unsere flexible Dienstleistungsgesellschaft hervorzubringen genötigt ist, ebenfalls dem Aussterben geweiht und daher als literarische Figur höchst attraktiv ist.

Andrea Stift hat eine solche Detektivfigur ersonnen. Sie heißt Wilfert und ist der Prototyp des sympathischen Losers: arbeitslos, trinkfest und leicht phlegmatisch, aber doch noch so naiv, um an etwas wie Karriere und Berufsglück zu glauben. Und zwar als Detektiv. Weiters verfügt Andrea Stift über die Heimat-Blaupause, die Gefühle weckt: In diesem Fall den Ort Spielfeld, das Hintertürl zum südsteirischen Weinland, welches weit über seine Grenzen hinweg für seine guten Weißweine und seine pittoreske Landschaft gerühmt wird.

Das Schöne an Stifts Heimatkrimi Wilfert und der Schatten des Klapotetz ist, dass er Klischees subtil unterläuft. Der Amateurdetektiv Wilfert etwa lernt die Südsteiermark primär nicht mit ihren putzigen Weinhügeln kennen, sondern in Gestalt einer verrauchten Gulaschhütte am trostlosen Spielfelder Hauptplatz. Und das sogenannte „Genussregal“ – ein IKEA-artiges Gebäude am Ortsrand von Ehrenhausen, wo die Touristen, wenn sie von der Weinstraße wieder nach Hause fahren, sich noch schnell mit Weinen und Spezialitäten eindecken können – dieses Genussregal also wird in Stifts Buch als architektonische Verirrung der Sonderkategorie beschrieben und, ohne dass eine besondere dramaturgische Notwenigkeit dazu bestünde, kurzerhand in die Luft gejagt.

Auf die Fahnen heften kann sich Andrea Stift neben ihrem subversiven Heimatzugang auch die unverkrampfte Beschreibung eigenwilliger sexueller Praktiken sowie den wohl pointiertesten Fall-Auftakt in der jüngeren Krimiliteratur. Und der – in der Hauptrolle eine gut situierte Wienerin – liest sich so: „Ich glaube, jemand gibt sich als mein Mann aus, um mit mir schlafen zu können.“

Andrea Stift, Jahrgang 1976, ist in Spielfeld geboren und hart an der slowenischen Grenze aufgewachsen. Das Lokalkolorit, das sie in ihrem ersten Krimi beschreibt, stammt also aus erster Hand. Sie hat in Graz Germanistik und Sprachwissenschaften studiert und als Redakteurin der Literaturzeitschrift manuskripte gearbeitet. Ihre Kurzgeschichten – zuletzt erschien ihr Band Elfriede Jelinek spielt Gameboy – wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Der Krimiplot selbst bietet handelsübliche Wendungen und Enthüllungen, die dem Detektiv mehr zufallen, als dass er sie sich erarbeiten würde. Mehr Platz als die Krimihandlung (der Mann der Auftraggeberin kommt in einem Weinkeller zu Tode, und Wilfert folgt ihm beinahe nach) nimmt die Beziehungsgeschichte zwischen dem Helden und der reschen Spielfelder Wirtin Andrea ein sowie die Nebenhandlung, in der ein Haus, eine Scheidung und der Spürsinn einer Brieftaube namens Amalie die tragenden Rollen spielen. Wilfert und der Schatten des Klapotetz geht jedenfalls runter wie ein gutes Bier, das der Amateurdetektiv dem steirischen Wein jederzeit vorzieht.

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