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Erschienen in Elisa Asenbaum (Hg.): nie als allein. Phänomen Dialog & lyrische Interferenzen., nie als allein. Phänomen Dialog & lyrische Interferenzen.
Ressort: Rezensionen

Elisa Asenbaum (Hg.):
nie als allein. Phänomen Dialog & lyrische Interferenzen.

rezensiert von Sabine Dengscherz

Poetischer Dialog als Versuchsanordnung

Neun Autor:innen interagieren in einem interdisziplinären Experiment

Schreiben ist Dialog: Texte antworten auf Texte, Fäden laufen intertextuell zusammen, treffen aufeinander, ändern die Richtung und werden neu verknüpft. Das in der Edition fabrik.transit erschienene Gemeinschaftsprojekt „nie als allein“ macht das Diskursive des (literarischen) Schreibens zum Programm und in einer besonderen Experimentalsituation explizit. Elisa Asenbaum, Herausgeberin des Bandes, hat sechs Autor:innen eingeladen, in einen poetischen Dialog mit ihr zu treten – und thematisch offen durch literarische Genres zu mäandern. Flankiert werden diese textuellen Zwiegespräche durch Collagen und Zeichnungen, in denen Asenbaum jeweils Elemente aus den Dialogen aufgreift und teils bildlich, teils sprachlich verarbeitet. Zusätzlich gibt es eine theoretische Rahmung: Harald Hofer stellt einleitend Philosophie-basierte „Betrachtungen zum Phänomen Dialog“ an. Dialog ist mehr als ein Zwiegespräch: So meint „Dia“ nicht etwa „zwei“, sondern „durch oder vermittels, in einem instrumentellen Sinne“, und lógos „hat im altgriechisch-philosophischen Kontext vielseitige Bedeutungen, etwa: Wort, Rede, aber auch Aussage, Argument, Gesetz, Auslegung, Rechnung“ (S. 13). All diesen Bedeutungen wird in den Texten Rechnung getragen, die im Band versammelt sind – auf unterschiedlichen Ebenen. Zu einem genaueren Blick laden schließlich die Analysen von Renate Resch ein, die den Abschluss des Buches bilden und aus text- bzw. diskurswissenschaftlicher Perspektive mögliche Lesarten der entstandenen Texte anbieten.

In den literarischen Dialogen ist das Offene Programm und das Schreiben tastet zwischen Du und Ich voran, geht von Assoziationen aus, von Bildern oder Versuchsanordnungen. Das eigentliche Thema, das, was die Texte in sich und miteinander zusammenhält, ist der Dialog selbst, die Auseinandersetzung mit Sprache und dem jeweils anderen, das Aufgreifen von Fäden oder ihr Verweigern, der Wechsel zwischen Widerspruch und Widerrede, Zustimmung und Zuspruch, die Art, wie die Autor:innen sich Text-Bälle zuwerfen, die dann wiederum aufgefangen werden – oder auch nicht. In den einzelnen Dialogen verläuft diese Dynamik recht unterschiedlich: Mit Semier Insayif knetet Elisa Asenbaum poetische Fugenmasse zwischen Nähe und Distanz zu einem assoziativen „Wortmosaik“ (Resch). Mit Patricia Brooks entsteht eine „Textschlange“, bei der zunächst Textteile für die antwortende Autorin verborgen bleiben, wodurch frau auch den Zufall mitschreiben lässt. Mit Thomas Ballhausen entsteht ein Dialog auf (fiktiven) Postkarten rund um Artefakte der bildenden Kunst, die als weitere Diskurslinien erscheinen. Im Dialog mit Ilse Kilic werden existentielle und (scheinbar) banale Fragen abgeklopft und Worte wörtlich umgedreht. Der Dialog mit Herbert J. Wimmer lehnt sich zunächst an die Briefformen an, zerlegt sich aber zusehends selbst, bis er schließlich in eine Gedicht-Collage mündet. Mit Eleonore Weber wiederum, der Verlegerin des Bandes bei fabrik.transit, entsteht ein bilderreiches Wortgefecht zwischen „Thetüs“ (Weber) und Atopos (Asenbaum), das voller Sprachspiele und Neologismen steckt und gleichsam als feministische Persiflage auf antike Versepen gelesen werden kann.

Durch die fundierten und einfühlsamen Analysen von Renate Resch entsteht im Anschluss noch eine weitere Dialogebene, die das Lesen als konstruktiven Prozess ernst nimmt – und vorführt. Beim Lesen schauen wir durch diese Analysen wie durch eine Lupe noch einmal genauer in die Texte und erschließen uns vermittels des mitgelieferten Hintergrundwissens zusätzliche Aspekte. Der mehrfache Vergleich – zwischen literarischen Texten und Analysen, zwischen eigenen und angebotenen Lesarten – ermöglicht eine Lektüre in mehreren Dialog-Schichten mit den Texten. Eine lustvolle Les-Art ist es, zwischen den poetischen Dialogen und den wissenschaftlichen Analysen hin und her zu blättern, sie mit eigenen Lesarten zu verbinden und damit selbst in den vielschichtigen Dialog mit den Texten einzutreten.

 

Elisa Asenbaum (Hg.): nie als allein. Phänomen Dialog & lyrische Interferenzen. fabrik.transit: Wien 2025.

Das Buch ist hier erhältlich.

 

Rezensionen

Buch

Elisa Asenbaum (Hg.):
nie als allein. Phänomen Dialog & lyrische Interferenzen.

2025: fabrik.transit, S. 190
rezensiert von Sabine Dengscherz

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