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Heft 31

Erschienen in Heft 31, schreibkraft
Ressort: Rezensionen

Daniela Emminger:
Gemischter Satz

rezensiert von Heimo Mürzl

Durch den Wind

Daniela Emminger überzeugt in ihrer Novelle Gemischter Satz einmal mehr mit ihrem kunstvoll-raffinierten Stil.

Nein, Agatha ist nicht dumm. Aber Liebe ist nicht unbedingt eine Frage der Intelligenz. Den gekonnten Umgang mit literarischen Genres und den Raffinessen des literarischen Schreibens merkt man Daniela Emmingers viertem Buch an. Ihre Novelle Gemischter Satz ist kunstvoll komponiert, kommt raffiniert und doch leichtfüßig daher und beeindruckt mit artifiziellem Sprachwitz und skurrilen Gedankengängen. Gemischter Satz ist ihr viertes Buch – nach Leben für Anfänger (2004), Schwund (2014) und Die Vergebung muss noch warten (2015) – und erneut dient ihr das Schreiben als künstlerischer Emanzipationsakt, Lebenselixier und zugleich befriedigende wie befreiende Möglichkeit der Selbstvergewisserung. Befreien muss sich auch die Protagonistin der Novelle – Agatha steht unsicher vor einer bereits getroffenen Entscheidung: Der Trennung von ihrem namenlos bleibenden Mann „Nummer sieben“. Die unerhörte Begebenheit, die Johann Wolfgang von Goethe als wichtigstes Kriterium einer Novelle bezeichnete, ist bei Emminger das Scheitern einer großen Liebe. „Wenn Agatha liebte, war das schlimmer als die Pest“, liest man hier und die Liebe wird bei Emminger zum Liebesunfall und aus der „Herzkrankheit“ eine „Hirnkrankheit“ und Agatha ist recht bald völlig „durch den Wind“.
Die in Wien lebende Oberösterreicherin hat sich mit ihren ersten drei Büchern einen Ruf als Autorin mit viel schrägem Witz, skurrilen Gedankengängen und einer Vorliebe zum virtuosen, manchmal geradezu aberwitzigen Umgang mit (vorgefertigter) Sprache erworben. In ihrem aktuellen Buch bleibt sie ihrem kunstvoll-raffinierten Stil treu und erzählt in einem ebenso frechen wie verdrehten Tonfall vom Liebeskummer ihrer Protagonistin Agatha. Der Titel Gemischter Satz ist bei Daniela Emminger auf zweierlei Art zu deuten: Neben dem Wein, der sich aus unterschiedlichen Rebsorten eines Weingartens zusammensetzt, ist es auch ein gar nicht so dezenter Hinweis der Autorin auf die Bedeutungsvielfalt von Wörtern und Sätzen, die dem Leser einen großen Interpretationsspielraum bietet. Was Daniela Emminger zu erzählen hat, erzählt sie mit großer erzählerischer Freiheit auf sprachspielerisch-amüsante Weise auf Umwegen. Lücken und Leerstellen stehen da neben zahlreichen erzählerischen Hinweisen auf einen verborgenen Sinn. Das ist raffinierte und unverwechselbare Kunst, die nicht auf rasches und einfaches Einverständnis hofft. Die Handlung im engeren Sinn tritt in den Hintergrund, weil die Autorin nicht auf eine linear zu Ende erzählte Geschichte setzt. Dazu sitzt ihr der Sprachschalk zu sehr im Nacken, frech, kreativ und verspielt und nie um eine sprachliche Pointe verlegen lässt sie den Leser an ihrem Bewusstseinsstrom teilhaben. Die versalzene Suppe gesellt sich da wie selbstverständlich zur Bitterschokolade, ihr Mann „Nummer sieben“ ist „eine dreibeinige Ungeheuerlichkeit, die aus dem Nichts auftauchte und Agatha wie ein Schieferdorn ins Herz stach (…) eine Lebensgefahr oder ein Lebensgefährte“ und so ist auch der Gedankensprung von der Todessehnsucht zum lebensbejahenden „Es war ganz einfach: Das Leben war gut“ stimmig und nachvollziehbar. Die Vergänglichkeit der Liebe steht in dieser Novelle für die Vergänglichkeit des Lebens an sich, für all die Unwägbarkeiten des Daseins und die Unmöglichkeit, stets alles im Griff zu haben. Und so folgt auf das Scheitern und Abschiednehmen das alternativlose Weitermachen und obwohl es ein Happy End meist nur im Märchen oder in Hollywood-Filmen gibt, bleibt immer noch die Hoffnung – auch wenn sie sich nicht selten als trügerisch erweist. Daniela Emmingers Novelle Gemischter Satz verknüpft auf leichtfüßige und spielerische Art Sprach- mit Hirnakrobatik und überzeugt als ein über 112 Buchseiten mit Verve, Esprit und sehr viel Witz betriebenes L’art pour l’art. Das Motto dieses überaus unterhaltsamen und auf eine spezielle Art und Weise infektiösen Büchleins stammt von Samuel Beckett: „Ich kann nicht weitermachen, ich werde weitermachen.“ Als Leser hofft man, dass für die Autorin Daniela Emminger nur der zweite Teil des Buch-Mottos zutrifft.

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
rezensiert von Hermann Götz

Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

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Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

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Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
rezensiert von Lisa Höllebauer

Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

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Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

Buch

Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
rezensiert von Stefan Schmitzer

Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

Buch

Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

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Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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