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Heft 27

Erschienen in Heft 27, zweifelhaft
Ressort: Rezensionen

Kerstin Kempker:
Die Erfüllung der Wünsche. Eine Übung. Roman

rezensiert von Clara Koisser

Revolte im Krankenhaus

Eine Fantasie mit fließenden Grenzen

Der Schauplatz: ein Krankenhaus mit dem für sich sprechenden Namen „Moribundes“. Die Erzähler: eine berichtende Instanz, die die relevanten Schauplatzstationen und das Geschehen näher beschreibt. Eine Ich-Erzählerin, die nach einer Untersuchung einen Befundbrief besagten Klinikums erhält. Und dann noch eine zweite Ich-Erzählerin; eine aufgrund ihrer Fast-Kahlheit offenbar krebskranke Patientin, die sich gemeinsam mit anderen Kranken gegen den Klinikbetrieb auflehnen und für titelgebende Erfüllung der Wünsche eintreten wird. Das allerdings nur in der Fantasie ersterer Erzählerin, da diese, anstatt den Befundbrief zu öffnen, den Inhalt und die möglichen Auswirkungen desselben als „Übung“ lieber erst einmal im Kopf durchspielt, und zwar durch die Person der beinahe Kahlen.

Erzählerin Nummer eins legt als autodiegetische Erzählerin also ihre eigene Geschichte dar – bis zum Zeitpunkt, an dem sie den Brief schließlich öffnet. Erzählerin Nummer zwei berichtet als homodiegetische Erzählerin ihrer scheinbar komatösen Zimmergenossin Roswitha, was sich im Krankenhaus abspielt und wie die Revolte voranschreitet – wenngleich auch bereits in der Fantasie der Erzählerin Nummer eins. Und der heterodiegetische, also außerhalb der Personenhandlung stehende, Orts- und Zeitrahmen festlegende Erzähler existiert ebenfalls nur in der Fantasie derselben.

Raffiniert konstruiert und folglich auch ziemlich komplex: Der neue Roman der deutschen Autorin Kerstin Kempker ist nichts für Schnellleser und Überflieger. Wer leichte Literaturkost bevorzugt, ist bei dieser Erzählung an der falschen Adresse. Wer allerdings bereit ist, sich einen Weg durch das oben zu lichten versuchte erzähl-theoretische Wirrwarr und das Labyrinth aus gekonnt pointierten Sprachbildern, indirekten Andeutungen und Gedankenfetzen zu suchen, wird garantiert belohnt werden. Denn so undurchsichtig sich die Handlung auch manchmal präsentiert: Die ungebremst fließende, metaphorische Sprachgewalt macht diesen Text wirklich zu etwas Außergewöhnlichem.
Auch die Tatsache, dass der Inhalt teilweise doch ziemlich verwirrend anmutet, bedeutet nicht, dass er nicht zu überzeugen vermag. „Die Erfüllung der Wünsche, das war einmal eine duftige Melange aus Märchen und Glaube, eine tröstliche Vorstellung von der Macht der Verlorenen, Gerechtigkeit und anderen Wundern“, schreibt Kempker, nachdem die Wünsche „von der Galerie laut verlesen und an die Erfüller verteilt“ worden sind. Sie beziehen sich auf ein bisschen mehr Menschlichkeit, auf ein bisschen weniger Oberflächlichkeit im Krankenhausbetrieb. Denn kein Patient möchte verdinglicht werden, möchte nur ein Fall unter vielen sein. Das hat die in Wuppertal geborene Kerstin Kempker – früher Sozialarbeiterin, danach Sachbuch- und heute Belletristikautorin – in diesem Roman auf kritische, aber humorvoll pointierte Art und Weise zu verdeutlichen geschafft. Ein durchaus zu empfehlendes Werk, sowohl inhaltlich als in erster Linie auch aufgrund des absolut überzeugenden, faszinierend poetischen Sprachgebrauchs.

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
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Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

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loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

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Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
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Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

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Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

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Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
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Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

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Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

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Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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