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Heft 28

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Ressort: Rezensionen

Markus Mörth:
Die Surrealisten

rezensiert von Heimo Mürzl

Rückzug ins normale Leben

Rimbaud lässt sich unter Kokospalmen die Eier kraulen

Ein Künstlerleben abseits bestehender Konventionen und fernab lästiger Verpflichtungen, frei, radikal und leidenschaftlich, wollen sie führen – die drei Freunde Max, Otto und Paul. Um das auch nie zu vergessen, schließen sie einen Pakt, der sie davor bewahren soll, wie so viele als gescheiterte Maulhelden zu enden. Nach Jahren treffen die „drei Musketiere“ wieder zusammen: Gealtert, um ein paar Kilogramm schwerer und um ein paar Erfahrungen reicher; der eine ohne Job, der andere kurz davor zu heiraten und Paul mit einer kleinen Tochter, Rosina. Die Geschichte der drei Teilzeit-Visionäre dient Markus Mörth im Roman Die Surrealisten als Folie für ein Porträt der Generation der Verweigerer und Suchenden, zeittypischer Figuren auf der Suche nach ihrem Platz in dieser Welt. Ort der Handlung ist Graz, und der Autor lässt viel Grazer Lokalkolorit und noch mehr kenntnisreiche Anspielungen auf den Kunstbetrieb und dessen Umfeld in den Roman einfließen. Die Romanfiguren wirken zunächst ein wenig oberflächlich, sind aber im Verlauf der Romanhandlung erfreulich vielschichtig gezeichnet, als Menschen aus Fleisch und Blut, mit Ängsten, Träumen und allen möglichen Makeln, aber auch mit Herz und Seele.

Markus Mörth erzählt in seinem Buch von Freundschaft und deren Pflege, von Aufbruch, Lebensfreude und Sehnsucht und auch von der Stärkung des Egos durch Anerkennung, Respekt und Erfolg – aber auch vom immer möglichen Scheitern, von Rückschlägen, Niederlagen und Misserfolgen. Seine Protagonisten wollen viel, mitunter zu viel und scheitern ohne allzu große Grandezza an ihren radikalen Visionen und unkonventionellen Vorhaben. So steuert Die Surrealisten auch auf kein simples Happy End zu, sondern zeigt unperfekte Menschen in einer unperfekten Welt. Von der Überwindung des kleinbürgerlichen Miefs bleibt ebenso wenig wie von den anarchistisch-künstlerischen Tagträumen in Zeiten von juvenilem Sturm und Drang.

„Am Beginn des Frühlings fanden sich die Freunde schließlich zu ihrem jährlichen Foto im Augarten ein […]. „Wisst ihr, woran ich mich die ganze Zeit erinnere?“, fragte Max in die Runde. […] Ich erinnere mich an deinen Ausspruch: ‚Rimbaud ist tot, Baby.‘ […] Ich glaube, er ist nicht tot. Ich glaube, der sitzt unter Kokospalmen, lässt sich die Eier kraulen und genießt es, die eigenen Bücher zu verbrennen.“ […] Wäre er noch am Leben, würde er all das genießen, was er in jungen Jahren so gehasst hat. Das ganze bürgerliche Getue würde ihn nicht mehr kratzen. Nur wäre er dann keine Legende mehr, sondern ein echter, wahrhaftiger Mensch.“

Die Lebensentwürfe und die Lebenswirklichkeiten, die Markus Mörth anhand seiner Romanfiguren Max, Otto und Paul durchspielt und literarisch überprüft, wirken nur selten künstlich und klischeehaft wie formelhafte Versuchsanordnungen, sondern sind den Menschen und deren Leben gleichsam abgeschaut und abgelauscht. Das „normale“ Leben, in das sie trotz großer Pläne und ambitionierter Ziele wieder zurückkehren, bedeutet für sie nur zu einem kleinen Teil einen Rückzug und ein Scheitern – hält es für sie doch auch Sicherheit, die Gewissheit und das Gefühl, es irgendwie doch geschafft zu haben und nicht allein zu sein, bereit. Auch wenn sie nicht wirklich glücklich sind. Ein Rest von Sehnsucht bleibt:

„Vielleicht, und so sehe ich es jetzt, ist es einfach nur schmerzhaft, sich einzugestehen, dass man im Leben nicht den Platz erreicht hat, den man sich erträumt. Noch nicht.“

Rezensionen

Buch

Werner Fiedler:
Die Apokalypse des frommen Jakob

2024: edition kürbis, S. 243
rezensiert von Hermann Götz

Zeuge gegen Jehova Werner Fiedler wollte ein Drehbuch über seine Kindheit in einer Sekte schreiben. Es ist ein dichtes Buch geworden Jakob wächst mit seiner Mutter Monika auf, die die

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Stefan Schmitzer:
loop garou – invokationen

2024: Ritter, S. 96
rezensiert von Sophie Reyer

Differenzwiederholungen vom Feinsten „loop garou – invokationen“ – diesen Titel trägt Stefan Schmitzers neuer Lyrikband – und jenes besondere Wortspiel zu Beginn, das einerseits auf den französischen Werwolf („loup garou“),

Buch

Priya Guns:
Dein Taxi ist da

2023: Blumenbar, S. 329
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Rezension: Eine Taxifahrt durch Welten Wie der Titel bereits ankündigt, erwarten Sie hier bestimmt eine klassische Rezension – und ich verspreche, die kommt auch noch – aber einleitend muss ich

Buch

Kulturinitiative Kürbis Wies (Hg.):
Der Mann, der sich weigert, die Badewanne zu verlassen

2022: Edition Kürbis, S.
rezensiert von Hermann Götz

Der Geist von Wolfgang Bauer … … zu Gast in der schreibkraft-Redaktion. Mit einem Open Call for Minidramen hat die Edition Kürbis einen Coup gelandet: Über 160 Einreichungen zelebrierten vor

Buch

Günther Kaip:
Rückwärts schweigt die Nacht

2022: Klever, S. 140
rezensiert von Stefan Schmitzer

Vergessen, surreal erinnert Günther Kaip verdichtet Lyrik, Prosa und Zeichnungen zu einem traumhaften Ganzen. „Rückwärts schweigt die Nacht“ – der Titel verräumlicht gewissermaßen, was beim Vergessen mit der gelebten Zeit

Buch

Sabine Haupt:
Die Zukunft der Toten

2022: die brotsuppe, S. 216
rezensiert von Hermann Götz

Dreizehn Sabine Haupts Erzählband „Die Zukunft der Toten“ macht Stippvisite auf der dunklen Seite des Mondes. „Jemand musste ihn verraten haben, oder verleumdet, vielleicht auch nur verwechselt.“ Kommt Ihnen bekannt

Buch

Sarah Kuratle:
Greta und Jannis

2021: Otto Müller, S. 232
rezensiert von Hermann Götz

Vom Anfang oder Ende der Zeit Sarah Kuratles märchenhaft dichter Roman Greta und Jannis. Sarah Kuratle hat ein Märchen geschrieben. Oder nein: einen Roman. Einen ganz und gar märchenhaften. Die

Buch

Markus Köhle:
Zurück in die Herkunft

2021: Sonderzahl, S. 208
rezensiert von Hermann Götz

Best of Poetry Markus Köhle wird in Zurück in die Herkunft zum Plagiatsjäger seiner selbst. Ok, über Slam-Poetry bedarf es hier keiner großen Worte. Dass Poesie als performative Kunst gelebt

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