Gefangen im Ich
Das Leben, wie es nicht sein soll
Zwei Wochen Urlaub mit Onkel und Tante am See: Michael sollte sich eigentlich freuen. Aber er freut sich nicht. Michael geht es schlecht. Er ist krank. Schon auf der Hinfahrt muss er sich übergeben, und dann kommt auch noch das Fieber. Michael schämt sich.
Endlich der entscheidende Anruf, endlich die fixe Jobzusage: Wolf sollte sich eigentlich freuen. Aber auch er freut sich nicht. Wolf fühlt sich leer. Er hat so lange darauf gewartet, und jetzt ist alles irgendwie falsch. Wolf schweigt. Wolf trinkt. Und Wolf schämt sich.
Es könnte alles so einfach sein. Michaels Onkel und Tante sind nette Leute. Wolf hat eine Freundin und eine Therapeutin. Und doch ist gar nichts einfach. Denn obwohl es in ihrer beider Leben Menschen gibt, denen sie sich anvertrauen könnten, behalten sie ihr Inneres für sich. Es ist die Angst, die sie quält; die Angst vor Zurückweisung, vor dem Versagen und davor, andere zu enttäuschen. Was bleibt, ist die Einsamkeit. Michael und Wolf sind eingeschlossen in ihrem eigenen Ich; haltlos, hilflos, hoffnungslos. Ausweglos.
„Aber was war da nur? Da war Feuer und Brand und Ertrinken und Elend, aber da war gar nichts, nichts, nur Wolf, der in seinem Bett lag, da war nichts, nur Atemnot und Liegen, und Angst vor dem Tod, und nichts mehr wollen als sterben, dasitzen und trinken, und nichts mehr wollen als leben, über Fußball reden, lautstark über Politik streiten, ohne es ernst zu meinen, sich zurücklehnen und mittlerweile Shot um Shot um Shot Zwiegespräch halten mit Jack Daniels, dem besten aller Freunde, dem einzig echten Freund […].“
Abwechselnd erfahren wir, was Michael und Wolf in einem kurzen Zeitraum ihres Lebens bewegt; wie Kind und Mann mit ihren Empfindungen umgehen. Die beiden Erzählstränge jagen den Leser durch ein Labyrinth von Täuschung und Verwirrung, von Albtraum und Erinnerung, von Betäubung und Verdrängung, von Hoffnung und Resignation. Je weiter das Geschehen fortschreitet, desto mehr verschwimmen die Schicksale der Protagonisten und desto mehr ziehen sie den Leser in ihren Bann. Bis am Ende ein – unerwartetes, aber einzig sinnvolles und daher überzeugendes – Ende steht.
Der 1981 in Leoben geborene Autor Paul Ferstl studierte Germanistik und vergleichende Literaturwissenschaft; Anfang 2014 veröffentlichte er sein Romandebüt Der Knoten. Neben dem Schreiben ist er auch als Verleger und als Lehrbeauftragter an der Universität Wien tätig. In seiner aktuellen Erzählung, die wie sein erstes Buch im Wiener Daniel Bauer Verlag erschien, wird dieser Background sowohl auf sprachlicher als auch auf erzähltheoretischer Ebene evident: Mit Die gute Küche der Spartaner hat Ferstl eine eindringliche, ungeschönte und so durch und durch ehrliche Erzählung geschaffen, dass es beim Lesen beinahe schmerzt. Sprachlich scheinbar spielend leicht präsentiert, bleibt dennoch eine Schwere zurück, die noch lange nachwirkt. Gefangen im Sog der inneren Kämpfe und Ambivalenzen, kommt man nicht umhin, sich zu fragen: Was ist der Sinn? Lässt sich die Angst besiegen? Und welchen Weg würde man selbst wählen?
Ein auf seine eigene Art und Weise tiefgründiges, ein bedrückendes, ein realistisches Buch. Ein sympathisch österreichisches Buch. Ein großartiges Buch!