Sophisticated Pop
Mit dem Album Steve McQueen von Prefab Sprout begann eine neue Ära des Pop
„Ich glaube, die Leute haben ein Bedürfnis nach differenzierten, subtilen Tönen, nach Zuhören. Ich auch. Diesem Bedürfnis wollten wir mit Steve McQueen entsprechen.“
Paddy McAloon
Paddy McAloon – Sänger, Komponist und Versschmied von Prefab Sprout – betonte in Interviews immer wieder die Kompliziertheit einer Welt, der man mit einem linearen Songwriter-Weltbild nicht mehr beikommen könne: „There’s no room in an Einstein world for simple cause and effect.“ So arbeitete McAloon mit seiner Band Prefab Sprout auch immer daran, den Popsong von seiner vermeintlichen Kurzlebigkeit und Oberflächlichkeit zu befreien und ihm emotionale Tiefe und (eben) Kunst einzuhauchen, ohne auf den naiv-jugendlichen Charme – der der Popmusik nun mal eignet – ganz zu verzichten.
Verwinkelte Melodien
McAloons Songs überzeugten stets durch komplizierte Akkordfolgen, nicht ganz vorhersehbare Harmonien, überraschende Übergänge und fragile, verwinkelte Melodien, die anstelle der erstbesten Ohrwurm-Abkürzung gern einmal einen kleinen Umweg machen, um sich dann um so hartnäckiger im Gehörgang festzuhaken.
Wie seine Vorbilder beziehungsweise musikalischen Geistesverwandten Brian Wilson, Donald Fagen, Van Dyke Parks oder Burt Bacharach ist auch der Musiker aus Newcastle dem perfekten Popsong auf der Spur. Prefab Sprout (neben Paddy McAloon waren das noch Martin McAloon, Neil Conti und Wendy Smith) fanden bald zu einer ganz eigenen musikalischen Sprache, zu einer unverwechselbaren Art und Weise, Gefühle musikalisch auszudrücken: Wohlgesetzte Harmonien stehen da gleichwertig neben diffizil-verschlungenen Melodien, augenzwinkernd-ironischen Versen folgen sarkastisch-zynische Alltagsbeobachtungen. 1985 fand die Band aus Newcastle mit Thomas Dolby einen kongenialen Produzenten, der die subtilen Prefab Sprout-Kompositionen mit seinen ausgeklügelten Computerklängen veredelte und ihnen so den letzten Schliff verlieh. Im Stile moderner Ton- und Bildkünstler zeichnete Dolby zart hingetupfte musikalische Gemälde aus sphärischen Syntesizerklängen und fragilen Computersounds.
Fragile Klangteppiche
„Seit den besten Tagen der Beatles oder von Steely Dan wurden nicht mehr so viele musikalische Einflüsse so kunstvoll und stimmig arrangiert“, schrieb der New Musical Express anlässlich des Erscheinens des Albums Steve McQueen. Und für den Melody Maker begann damit sogar eine neue Ära: die des Sophisticated Pop. Und wirklich – Steve McQueen war und ist intelligente Popmusik, songorientiert und sehr emotional, mit Esprit, Verve und nicht ohne Witz. So macht sich Paddy McAloon in „Faron Young“ über den Rock’n’Roll und die dazugehörigen Klischees lustig. Dazupassend das ironische Cover von Steve McQueen: Paddy McAloon in Lederjacke und zerschlissener Jeans auf einem Motorrad posierend, mit seiner „Gang“ um ihn herum. Die intellektuelle Kühle und der beißende Spott der Songs von McAloon können aber nicht verhindern, dass viele seiner Songs doch den direkten Weg vom Ohr zum Herz des Hörers finden: „Desire As“, „Appetite“, „Bonny“, „Horsin’ Around“.
Thomas Dolby produzierte vielschichtig, aber immer auf Zurückhaltung bedacht: Fragile Klangteppiche bilden das Fundament für den feinnervigen, absolut stimmigen Zwiegesang von Paddy McAloon und Wendy Smith – neben der melancholischen Songwriter-Kunst eindeutig das größte Kapital der Fab Four aus Newcastle.
Die große Kunst der feinen, zarten Töne, der Nuancen, des Kaum-Wahrnehmbaren ist es, die dem Album Steve McQueen auch nach Jahrzehnten seinen Platz im Reigen der sogenannten Lebens-Alben sichert. Repräsentativ der Beinahe-Hit des Albums „When Love Breaks Down“: Die Melodie ist mit wenig Aufwand geformt, doch ganz langsam schleicht sich die Verfeinerung ein – zusätzliche Instrumente und harmonische Ergänzungen ergeben zusammen mit sphärischen Synthesizerklängen eine barocke Vielfalt, die aber doch das obligatorisch einfache Fundament eines Love-Songs nie verlässt.