Gold, Kronen und Gefängnis
Bunte, bildhafte und fantasievolle Gedichte von Ruud van Weerdenburg
In dem vorliegenden, 2014 im Löcker Verlag erschienenen Gedichtband erschafft der Dichter ein breitgefächertes, exotisches Kaleidoskop an Sinneseindrücken, das den Leser eher auf eine abenteuerliche Reise entführt, als ihn sich daran erinnern zu lassen, dass er gerade „nur“ einen Gedichtband in Händen hält. Für mich war der Band ein Reiseticket in eine andere Welt, das in mir wieder die Erinnerung an den Geschmack einer frischen Mango unter der glühenden Sonne Indiens wachrief, inklusive der Klänge der dort heimischen Tierwelt. Der Autor, der selbst auch als Maler tätig ist, erschafft mit dieser Sammlung etwas, das man mit einer Ausstellung in einer Galerie vergleichen kann. Man sieht Bilder über die Liebe zu einer Frau, die das lyrische Ich zur „Wasserfallgöttin“ erhebt. Man wird dann aber auch bald wieder geerdet durch die Darstellung eines Blow-Jobs, obwohl selbst dieser mit dem spirituellen Verzehr einer Hostie gleichgesetzt wird. Man reist von Indien in die Niederlande und wieder zurück, macht dabei Abstecher nach Österreich oder auf den Balkan und trifft u. a. Walther von der Vogelweide und Pythagoras, nur um festzustellen, dass man im nächsten Gedicht in das Antlitz eines Poseidons/Neptuns, Mars, Hanumans oder einer Kali blickt, die der Autor in gleichsam epische sowie zutiefst liebevolle Szenarien einwebt.
Der Titel des Buches ist der ersten Verszeile des längsten Gedichtes, Enthauptetes Jüdisches Licht, entnommen: Erwähnenswert ist dieses, da es als einziges einen düsteren Ton anschlägt im Vergleich zu den anderen, die einen spirituell, verträumt auf einen Ausflug in die Welt und die Natur mitnehmen. Leider fühlt man sich bei der Lektüre dieses Gedichts eher kalt und einsam. Das wirft auch die Frage auf, warum der Autor den Buchtitel gerade in diesem Gedicht finden wollte, welches so wenig von der Atmosphäre des restlichen Bandes besitzt. Das Gedicht selbst besteht aus drei verschiedenen Teilen. Die ersten beiden handeln von Gold, Kronen und Gefängnis, was man vermutlich auch auf den kalten Begriff der weltlichen Macht reduzieren kann. Im ersten Vers des dritten Teils bringt das Zitat des Tänzers, um dessen Leben es sich im letzten Teil des Gedichts dreht, das auf den Punkt, was mir beim Lesen der vorigen zwei Teile immer im Hinterkopf saß: „Wenn die Zigeuner unbedingt Betteln müssen, dann können sie doch auch Ihre Goldzähne an den Mann bringen?“ Auch wenn es nicht direkt die Zigeuner waren, war es doch das Zahngold in Verbindung mit dem Titel, das in mir Bilder von Juden im KZ hervorrief, die auf brutalste Art und Weise ihrer Goldzähne beraubt wurden. „Sonst müsste das Gold fort geschleppt/ und auch wohl weg getreten werden, …“ schreibt der Dichter. Auch wenn Teil drei dem Gedicht Menschlichkeit einhaucht, ist es, verglichen mit den vorigen zwei Strophen, die falsche Abzweigung, die der Dichtter damit genommen hat.
Allgemein kann man die Sprache von Ruud van Weerdenburg als bunt, bildhaft und fantasievoll bezeichnen. Seine poetische Ausdrucksweise schafft für Profanes und Spirituelles einen gleichwertigen Nährboden. Ebenso fungiert der Gedichtband als multikulturelles Biotop für die unterschiedlichsten Lebewesen, Götter- und Pflanzenwelten und schenkt jedem die gebührende Aufmerksamkeit.