Acht Momentaufnahmen.
1. Now:
Taylor Swift ist der größte Popstar, den die westliche Welt derzeit zu bieten hat. Die 34-jährige Pop- und Countrysängerin aus Pennsylvania hat 300 Millionen Tonträger verkauft, Milliarden über Milliarden Clicks auf den Streamingplattformen erreicht, ihre Welttournee führt durch hunderte ausverkaufte Stadien und überragt die Beatlemania der 1960er Jahre bei Weitem. Sogar wenn Taylor Swift nur als Gast eines Events angekündigt ist, wie kürzlich beim Super Bowl in Las Vegas, sorgt sie für Hysterie rund um den Globus. Das U.S.-Magazin Time hat sie vor Putin, Trump oder Barbie zur Person des Jahres 2023 gekürt. In der Begründung hieß es, Swift habe einen Weg gefunden, Grenzen zu überschreiten und eine Quelle des Lichts zu sein. Ihr Überstrahlen alles anderen drückt sich auch dadurch aus, dass sie vier Grammys hintereinander für das beste Album des Jahres erhielt. Taylor Swift ist, das steht fest, ein Phänomen, ein Spektakel, ein Stern am Himmel wie keiner zuvor.
Bis in meinen Orbit aber reicht das Swiftsche Licht nicht hinein. Zufällig, etwa im Supermarkt oder Autoradio, höre ich wohl hin und wieder eines ihrer Lieder, aber diese Nummern fallen mir nicht auf, nichts von ihnen setzt sich in mir fest, sie sind zu gefällig, nicht unterscheidbar von tausenden anderen Produktionen. Genau das ist Swifts Zaubertrick. Sie produziert Musik von hoher Professionalität und Belanglosigkeit, die so austauschbar ist, dass jeder Mensch sofort das Gefühl hat, er kennt sie bereits. Und was der Mensch kennt, das mag er nunmal. Ähnliches gilt für ihr Auftreten, ihre Message, ihren Look. Swift spricht sowohl Trump-Fans wie Wokeness-Verfechterinnen an, junge Hipster wie alte Rednecks, mir aber bleibt nicht einmal ihr Aussehen haften.
Das Markenzeichen eines guten Models war es immer, möglichst neutral und oberflächlich auszusehen, hübsch aber ohne erkennbare Tiefe, rein Fläche zu sein, um in die eine oder andere Richtung modelliert werden zu können. Doch Popstars? In meiner Weltsicht waren sie stets mit irgendeinem Talent und einer Einzigartigkeit ausgestattet, etwas das man lieben oder hassen aber nicht sogleich einfach vergessen konnte. Heute scheint es sich umgekehrt zu haben. Models weisen Alleinstellungsmerkmale auf, aber Popstars sind zweidimensional. Ich betrachte Bilder von Taylor Swift, um sie mir einzuprägen. Sie setzen sich in mir ähnlich wenig fest wie die Konstruktion einer Künstlichen Intelligenz.
„Ich verstehe den Rummel um Taylor Swift einfach nicht“, sage ich zu meiner Frau.
„Du bist halt ein alter Mann“, antwortet sie.
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Hinweis der Redaktion: „Now and Then“ ist mittlerweile Teil der kleinen Geschichte der Popmusik mit dem Titel „What goes up must come down“, erschienen im Bahoe Verlag. Infos finden Sie hier.