Bullerbü und Berlin, Hogwarts und Pisa. Zwischen diesen (und noch vielen weiteren) Polen auf der literarischen und gesellschaftlichen Landkarte muss sich Kinder- und Jugendliteratur heute verorten. Die Erwartungshaltungen sind deutlich vielfältiger, höher und komplexer als an jede andere Art literarischer Produktion. Hohe literarische Qualität? Klar! Gute Unterhaltung? Selbstverständlich! Gesellschaftspolitische Verantwortung? Unbedingt! Patchworkfamilien, Trennung, Krieg, Fluchterfahrung, geschlechtliche Identitäten, Rollenbilder, Tod und Klimaschutz. Kein Thema, zu dem es nicht das passende Kinderbuch gibt oder geben soll. Doch ist es tatsächlich die Aufgabe von „KiJu-Literatur“, die nächsten Generationen aufs Leben vorzubereiten und gleichzeitig die Welt zu retten? Können Kinderbücher auch „nur“ unterhalten, oder schwingt dabei immer ein gesellschaftspädagogischer Ansatz mit?
„Gut ist, was Kinder zum Lesen bringt“, meint dazu etwa Kinderbuchlektorin Melanie Becker im Interview, in dem sie auch über ihren beruflichen Alltag berichtet. Den langen Weg eines Buches von der groben Idee bis in die Buchhandlungen bzw. die strukturellen Herausforderungen ihres Berufes machen die Autorinnen Frauke Angel, Rieke Padwarthan, Renate Welsh, Verena Hochleiter und die Illustratorin Anika Voigt – in ihrer jeweiligen Ausdrucksweise – transparent. Die Literaturagentin Susanne Koppe sowie die Buchhändlerin Bianca Braunshöfer berichten in ihren Beiträgen von den Rahmenbedingungen und deren Veränderungen in der Branche.
Doch wie kommen die Bücher überhaupt ins Kinderzimmer? Wer wählt sie aus? In den meisten Fällen Erwachsene. Sie sitzen in Redaktionen, Jurys und ganz generell am längeren Ast, wenn sie Kritiken schreiben, Preise vergeben und letztlich die Geldbörse zücken. Sara Schausberger und Amelie Herold berichten über ein Gegenbeispiel: In der „Jury der jungen Leser:innen“ werden seit 1993 Bücher von Kindern und Jugendlichen selbst prämiert. Und nach welchen Kriterien werden Kinderbücher eigentlich ausgewählt? „Der Kanon hat im Kinderzimmer nichts verloren“, meint Publizistin Saskia Hödl und plädiert dafür, inhaltlich, formal und sprachlich problematische Literatur großzügig auszusortieren – auch wenn darunter der eine oder andere „Klassiker“ sein sollte. Apropos Klassiker: In der Rubrik „vergilbt, but not forgotten“ erinnern sich Pia Hierzegger, Jessica Lind, Tanja Paar, Teresa Präauer und Manuel Rubey an die wichtigsten Bücher ihrer Kindheit – und wir können verraten, sehr viele davon kommen aus Skandinavien. Aus dem hohen Norden kommt übrigens auch ein ungewöhnlicher Gesprächspartner: Im exklusiven Interview erzählt der Sambakönig vom harten Leben als (Kinder-)Romanfigur.
Das vorliegende Heft ist also eine Premiere in vielerlei Hinsicht: Erstmals widmen wir ein ganzes Heft voll und ganz der Kinder- und Jugendliteratur, noch dazu ist es deutlich konkreter als andere Ausgaben. Am Ende werden Sie also nicht nur Einblicke und neue Denkanstöße bekommen haben (wie in jeder schreibkraft-Ausgabe), Sie werden sich auch deutlich besser auskennen. Und gewinnen können sie außerdem: Die Illustratorin Jacqueline Kaulfersch gestaltete für diese Ausgabe der schreibkraft zehn im Heft verteilte Buchstabenmonster. Diese lassen sich beliebig bunt ausmalen, und – richtig aneinandergereiht – auch als ganzes Wort lesen! Wer das richtige Codewort an schreibkraft@mur.at schickt, kann ein Exemplar des Buchs „Elvis, Kate & Ziggy“, ebenfalls von Kaulfersch illustriert, gewinnen.