Oder: Karins Sehnsucht nach Geschichten
Karins Ansatz ist eine meterlange Zunge, durch die sich das Krokodil beim Sprechen verhaspelt, hängt die Zunge ihm doch bis zu den Zehen und tollpatschig, wie es ist, wie es sein muss, sagt seine Krokodil-Mama Karin, schafft es Kroki, wie wir es nennen werden, nicht, die Zunge rechtzeitig aufzurollen. Erst später wird Kroki feststellen, dass es mit der Kunst des Zungenaufrollens in die Riege der besonderen Chamäleons aufgenommen, ja sogar zum Chamäleon-König gemacht wird, was Kroki anfangs noch gefällt, doch bald nicht mehr, denn wie Karin erinnert sich Kroki an Max aus Wo die wilden Kerle wohnen. So ein elitäres Königdasein bringt schnell Verdruss und zumindest jüngere Kinder finden es nicht weiter spannend, einem König in seiner Hierarchie-Isolation zuzuschauen, da muss ihm schon der Boden unter den Füßen weggezogen oder die Kleider ausgezogen oder eine heiße Suppe vor die Zimmertüre gestellt werden.
Wenn Karin Geschichten erfindet, geht sie nicht von einem Konzept aus. Was sie, erzählend, ausheckt und weiterspinnt, entspringt im Moment, ist Fantasie-Freestyle, und die Reaktion des Kindes zeigt, ob die Elemente Sinn machen bzw. viel mehr Unsinn. Den zu produzieren liebt Karin und es fällt ihr leicht. Was auch immer in ihr hierbei zur Geltung kommt: die Kinder verstehen sie. Einen Fuß hat sie im Reich der Kinder. Oder eine Popo-Hälfte. Das würde den Kindern besser gefallen. Den kleinen Kindern. Die Altersspanne reicht von zwei bis sechs Jahren und noch weiter, die großen Kindern lächeln dann nur mehr, anstatt sich zu zerwutzeln. Geschichten, die lachen machen. Eine das Zwerchfell kitzelnde ‚oral story‘, da müsste Karin schon sehr angestrengt werken, würde sie erzählend eine ‚moral of the story‘ erzeugen wollen. Als Vorsatz. Pädagogisch wertvoll. Wie viele, ja die meisten der deutschsprachigen Kinderbücher, findet Karin.
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