Bücher oder Bauschaum – wie erhalten wir Bücher für nachfolgende Generationen?
Schräg gegenüber vor der Kita stampfen Gummistiefel in tiefen Pfützen einen Plätschertakt, zu dem andächtig bis inbrünstig gesungen wird: Es regnet. Es regnet. Die Erde wird nass. In Endlosschleife. Dabei regnet es schon seit zwei Stunden nicht mehr. Allerdings goss es bis dahin gut drei Tage ohne Unterbrechung wie aus Eimern. In die mit fröhlich-frechen Kakophonien verquickten Arrangements dieses erfrischend unbesonnenen Kinderchors sickert Handyklingeln. Norbert ist dran und er klingt besorgt: Sofort kommen. Anna und Ben sind auch aufm Weg. Katastrophe in der Villa Kunterbunt.
Über vierzig Jahre war Norberts Laden das größte und urigste Antiquariat hier in der Gegend, bis er mit Mitte siebzig aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Weil sich nirgends ein Nachfolger fand, kam es zur Abwicklung. Ein Großhändler übernahm – nach konziliantem Preisabschlag – den Löwenanteil der Bestände. Die übrigen, immerhin noch über hunderttausend Bände, die Norbert in Jahrzehnten zusammengetragen hat, warten jetzt in einer Halle am Stadtrand auf einen, der Schätze dieser Art zu würdigen weiß. Bücher wegwerfen kann und will Norbert nicht. Da es ihm jedoch am Geld und folglich an Platz fehlt, kann man in der Villa Kunterbunt – keine Ahnung, wer dem eher farblosen Lager mal seinen euphemistischen Namen verpasst hat – nicht einfach in übersichtlichen Regalen nach Lesestoff stöbern; nur grob nach Genres sortiert und freilich nicht katalogisiert, lagern sämtliche Titel in Kartons, die sich nahezu lückenlos bis unters Dach stapeln. Wer hier etwas sucht, muss zuerst viele Pappboxen aus dem Weg räumen; und wer sich nicht auskennt, findet nichts.
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