Als Krakowski die Augen aufschlug, war es helllichter Tag. Er erinnerte sich, wie er geprahlt hatte, sein erster Fall – kein geringer – sei so gut wie gelöst. Er hatte den Mund ganz schön voll genommen!
Doch wo sollte er beginnen? Krakowski studierte zunächst den Stadtplan: „Wer rastert, erfasst was“, murmelte er vor sich hin. Das Rastern hatte Krakowski in seinem Kriminalistik-Studium erlernt: Man überzieht einen Stadtplan mit einem gleichmäßigen Karomuster und schaut sich dann jedes Quadrat einzeln ganz genau an: So entgeht einem nichts. Und doch blieb das Rastern in diesem Fall ohne Erfolg: Krakowski kannte nun zwar jeden Winkel der Stadt, wusste aber noch immer nicht, nach wem er eigentlich suchen sollte. „Hätte ich doch ein Phantombild oder wenigstens ein paar Täterbeschreibungen“, seufzte Krakowski.
Der weitere Verlauf des Vormittags war von hektischer Betriebsamkeit geprägt. Krakowski telefonierte, aktivierte Seilschaften und befragte die Leute auf der Straße. Die wenigsten aber hatten Gott je aus der Nähe gesehen, alle andern glaubten eher, als dass sie etwas wussten: der eine dies, der andere jenes – Vermutungen, Ahnungen, nichts Konkretes. Auch beschreiben konnte den lieben Gott niemand so recht. Und einer war sich sogar sicher: Bilder dürfe man sich von ihm ohnehin nicht machen, das sei gegen das göttliche Gesetz. Als Krakowski gerade zu erklären begann, dass er das Gesetz vertrete, half beiden das Glück: Ein Mann, der Krakowskis Befragungen der immer größer werdenden Gruppe zugehört hatte, witterte ein Publikum und bahnte sich seinen Weg durch die hitzig diskutierende Menge.
„Gewiss kann ich Ihnen helfen, ich – Direktor eines Kunstmuseums“, sagte der Mann, „dort gibt es Bilder vom lieben Gott.“ „Dich schickt der liebe Gott!“, rief Krakowski, warf sich dem älteren Herrn um den Hals und versuchte ihn zu küssen. „Schon gut, schon gut“, wich der Mann aus, „nun erzählen Sie schon: in Ruhe und von Anfang an.“ „Von Anfang an?! Von der Schöpfung noch am besten!? Dafür haben wir nun wirklich keine Zeit!“, drängte Krakowski, der sogleich in die alte Hektik zurückfiel. „Wenn Sie mir helfen können, dann jetzt und sofort! Ich brauche ein Bild vom lieben Gott!“
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