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Heft 44

Erschienen in Heft 44, nachgefragt
Ressort: Kunst

Vanille und Rosen

Noemi Philadelphy

Ohhh Scheiße, war das knapp. Was mache ich denn jetzt? Sie darf mich auf keinen Fall hier drin erwischen. Dann wär ich tot. Mausetot. Die wüsste doch sofort, was los ist. Dass ich hier bin, um mit ihrer Tochter zu … Naja, Dings halt. Was sollte sie auch sonst denken, wenn sie mich hier hinten nackt, mit zerzausten Haaren und einem Kondom in der Hand in ihrem Badezimmer erwischt? Ohhh Scheiße, das Kondom. Weg damit. Weg, weg, weg. Da auf den rosa Hocker? Ja egal, mir gehört es einfach nicht. Unter den rosa BH. Warte, nein. Der ist zu groß. Der gehört bestimmt ihrer Mutter. Ihre Brüste sind nicht so groß. Da kann ich es nicht hinlegen. Gott, was tue ich denn da. Scheiße. Einfach nur das Kondom verstecken. So schwer kann das doch nicht sein. Da. Ab damit ins Klo. Einfach weg. Ah Scheiße, das war richtig dumm. Ich kann doch jetzt nicht spülen. Ihhh. Wer weiß, wann die das letzte Mal das Klo geputzt haben. Warum trägt die Klobrille eigentlich einen Pullover? Was ist das? Rosa Pelzbezug fürs Klo? Lebt hier kein Mann in dem Haus? Oder pinkeln etwa alle im Sitzen? Wäh! Na bitte, da ist das doofe Kondom jetzt wieder. Ich stecke es einfach doch unter den BH.

Die dünnen Absätze von Frau Grinschgl klappern über den Küchenboden, die Treppen hinauf und gerade, als ich ausatmen will, wieder herunter, auf meine Etage.

Wo ist denn Sabrina? Oder hieß sie Sabine? Fuck. Die Tochter halt. Die soll einfach ihre Mutter ablenken. Fuck, wieso tut die denn nichts? Mir hat niemand was von einer Mutter gesagt und auch nicht davon, dass ich mich hier in diesem nach Vanille und Rosen duftenden Badezimmer vor ihr verstecken müsste. Scheiße, ich wollte doch nur … naja, naja Dings halt.
Leise drehe ich mich um meine eigene Achse und betrachte erstmals den Raum, in dem ich mich verstecke.

Scheiß weiß-rosa Zimmer. Wie passend zum Vanille- und Rosenduft. Wo bin ich hier eigentlich? Schau aus dem Fenster! Wiese und Äcker. Baum, Vogel, Maiskolben. Pure Natur. Kein anderes Haus zu sehen. Keine Straße. Na toll. Und das Fenster ist zu hoch, da kann ich nicht einmal hinausspringen. Dumme Idee. Wohin hätte ich auch gehen sollen? Splitterfasernackt. Wo zum Teufel bin ich hier? Wenn mich die Mutter hier umbringt, findet mich sicher niemand. Weiß ja auch niemand, dass ich mit der Sabrina was am Laufen habe. Oder Sabine halt. Wie auch immer. Ich bin tot. Tief einatmen. Und ausatmen. Alles wird gut. Ich muss mich bewegen. Denk!

Während ich leise durch das Zimmer tigere, besser gesagt über den flauschigen rosa Teppich, der beinahe den gesamten Boden des kleinen Raums einnimmt, massiere ich meine Schläfen.

Denk. Denk nach. Ich brauche etwas anzuziehen. Das Wandregal. Wieso bin ich da nicht schon früher draufgekommen. Schnell öffnen, da muss doch was drin sein. Scheiße. Quietschen. Das muss ein schlechter Alptraum sein. Scheiße. Luft anhalten. Bitte. Bitte. Ahhh. Niemand hat es gehört. Danke. So und jetzt suchen! Rosarote Handtücher. Haarshampoos, die nach Rosen duften. Die Frau muss ganz schön auf Rosen stehen. Zahnpasta. Rosa. Was sonst? Haargummis. Tampons. Binden. Scheiße. Ich bekomme Kopfschmerzen. Denk. Denk. Du brauchst etwas anzuziehen! Da.

 


Die vollständige Version des Textes finden Sie in der gedruckten Ausgabe des Hefts.

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