x
Anfrage senden

Heft 45

Erschienen in Heft 45, kinderleicht
Ressort: Feuilleton

Der Versuch, Klarheit zu schaffen

Bianca Braunshöfer

Oder: Warum eröffnet man eine neue Buchhandlung in diesen Zeiten?

Lange bevor Katja Fetty und ich im Oktober 2022 o*books im Nordbahnviertel eröffnet hatten, keimte der Wunsch in mir, die Buchhandelslandschaft ein wenig zu verändern. Damals arbeitete ich in einer Grätzelbuchhandlung, wo ich in einige Prozesse miteinbezogen wurde. Unter anderem auch in die Kuration der Bücher, die am Lager sein sollten. Schon im Germanistikstudium habe ich gerne Kurse belegt, die sich mit Literatur marginalisierter Stimmen beschäftigten bzw. waren mir feministische Themen ein Anliegen. Trotz der Aneignung von Wissen zu dem Thema und der Entscheidung, künftig nur noch Literatur von Frauen*, FLINTAs allgemein, BIPoC und Queers zu lesen, und der Notwendigkeit, ebenjene Stimmen in den Vordergrund zu rücken, konnte ich auch in einem relativ liberalen und offenen Buchhandlungsumfeld nicht so walten, wie ich es mir vorstellte. Ich stellte es mir aber nicht nur für mich vor, sondern war der festen Überzeugung, es würde auch der Buchhandlung guttun, einen neuen Fokus zu setzen. Diesen Fokus konnte ich als ‚einfache‘ Angestellte nicht durchsetzen, die Begründung können wir uns vorstellen: Wir müssen Literatur für alle anbieten, selbst wenn wir Feministinnen sind, gibt es doch Kund*innen, die nicht Frauenliteratur lesen möchten. Was sollte das bedeuten? Frauenliteratur? Und warum wird sie nicht jedenfalls gleichwertig behandelt? Und die elendige Frage nach dem Huhn und dem Ei: Wer bestimmt das Angebot, wie entsteht Nachfrage, welche Parameter sind hierfür wichtig? Ich glaube, darauf kann ich an dieser Stelle keine Antwort geben, sie würde erschöpfend ausfallen (müssen) und dennoch bin ich der Meinung, dass wir uns nicht dem beugen dürfen, was vorgegeben wird, was laut Spitzentitelplatzierungen von Verlagen, Besprechungen von Journalist*innen und schlussendlich dem Kanon auf den Tischen liegen sollte.

Die Fülle an Literatur ist sehr schwer zu überblicken, zu bewältigen oder gar: zu lesen. Deshalb sind es wahrscheinlich – auch wenn sie am Schluss der Kette stehen – die Buchhandlungen, die einen enormen Einfluss darauf ausüben können, was gelesen wird und – bei allem Idealismus darf man darauf nicht vergessen – was gekauft wird. Letztendlich verdienen nicht nur Buchhandlungen und Verlage monetär daran, sondern auch die Autor*innen. Wenn aufgrund von Kanonisierung und den immergleichen Argumenten der Qualität und „Tradition“ nur ein gewisser Teil der künstlerischen Bevölkerung verdient, sei es an Geld, aber auch an Wertschätzung und Ruhm, so meine ich, sollten wir überlegen, wie dieser Ruhm verteilt werden kann, und uns fragen, wie wir das Angebot kuratieren, eben auch im Hinblick auf literarische Stimmen, die als „Nische“ gelten, vergessen werden oder beiseitegelegt.

 

mehr im Heft

Haben Sie Fragen oder möchten Sie ein Heft erwerben? Anfrage senden

Hefte

Heft 45: kinderleicht

Bullerbü und Berlin, Hogwarts und Pisa. Zwischen diesen (und noch vielen weiteren) Polen auf der literarischen und gesellschaftlichen Landkarte muss sich Kinder- und Jugendliteratur heute verorten. Die Erwartungshaltungen sind deutlich

Heft 44: nachgefragt

Diesmal machen wirs andersrum. Wird eine klassische schreibkraft-Ausgabe einem konkreten, zumeist dialektischen Thema gewidmet, an dem sich die Weisheit der Vielen abarbeiten darf, fragen wir in Heft 44 zu vielen

Heft 43: über musik

Robert Zimmermann kann nicht gut singen. Mundharmonika und Gitarre spielt er auch nicht soooo toll. Aus diesem Grund hat er auch den Literaturnobelpreis bekommen. Und nicht den Polar-Music- oder den

Heft 42: über literatur

Nein nein nein! Die schreibkraft ist keine Literaturzeitschrift. Davon gibt es eh genug. Insbesondere in Graz, der Hauptstadt hoffnungsfroher Manuskripte und nach Publikation und Perspektive lechzender Poesie, der Lichtungen im

Heft 41: wir sind lesenswert

Sie halten Heft 41 der schreibkraft in Händen. Dieses Heft ist zugleich die erste Ausgabe in der Geschichte der „schreibkraft“, die ausschließlich literarische Texte beinhaltet, denn diese Ausgabe ist ganz

Heft 40: verstörend

Es ist schon erstaunlich (und verstörend zugleich), wie lange der Mensch bereits auf Erden existiert, wie viele Jahrtausende er es geschafft hat, dieser Erde keine allzu großen Probleme zu bereiten

Heft 38: aus der welt (Doppelnummer 38/39)

„Immer dort wo Du bist bin ich nie.“ Eleganter als in diesen Zeilen, die Sven Regener für seine Band Element of Crime in anderem Kontext getextet hat, könnte man die

Heft 36: ordinär
(Doppelnummer 36/37)

Das Zauberwort pandemischer Tage heißt „Normalität“. Eben noch, also vor der Corona-Phase, das gering geschätzte Synonym für Fadheit par excellence, avanciert erlebte Norm neuerdings zum Sehnsuchtszustand. Für viele ist sie

    Anfrage

    Möchten Sie ein Heft bestellen?
    Bitte geben Sie die Heft-Nr. und Ihre Adresse an:

    Ihre Kontaktdaten werden zum Zweck der Kontaktaufnahme im Rahmen dieser Anfrage gespeichert. Mit dem Absenden dieses Formulars stimmen Sie dieser Verwendung zu. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.