Da schreiben wir in unserer gewohnt vieldeutigen Manier ein Thema aus, das man durchaus humorig auffassen könnte, und was kommt heraus? – Die literarischste „schreibkraft“ seit langem. Eventuell liegt es daran, dass wir im Frühjahr 2009 einen Wettbewerb zur Rettung des Reimes ausgeschrieben haben, der aufzeigen sollte, dass der in der Literatur vielgeschmähte reine Endreim zu mehr gut ist als zu Propagandasprüchen rechtspopulistischer Parteien. Die Gastredakteure des vorliegenden Heftes, Andrea Stift und Andreas Unterweger, haben sich durch Dutzende Zusendungen gelesen. Ihre Auswahl aus den gereimten Gedichten und Sprüchen können Sie in diesem Heft nachlesen. Tobias Falberg und Ron Winkler steuern zur Einstimmung ungereimte Gedichte bei.
Der literarische Teil der schreibkraft ist diesmal nicht nur stark, sondern auch sehr themenorientiert ausgefallen. Myriam Keil etwa geht der Frage nach, wie der Alltag von Ernst aussieht. Sie präsentiert uns Ernst auf dem Weg zur Arbeit und danach im Büro, in der Mittagspause und später am Abend daheim bei seiner Frau. Felix Wallner wiederum berichtet vom ernsten Eifer, Kinder zu zeugen, und verwendet in seiner Geschichte das schöne, viel zu selten verwendete Wort „Insemination“. Darüber, wie man diese Kinder, wenn sie etwas größer sind, missbraucht, erzählt Roland Steiner in seiner „Familienserie“. Auch bei Kerstin Kempker finden sich die familiären Bande auf dem Fundament einstürzender Böden wieder, womit die Institution Familie von unseren Autorinnen und Autoren endgültig als fragloser Ernstfall ausgewiesen wäre. Warum das in Zeiten wie diesen so sein mag, darauf gibt Harald A. Friedl Antwort, der, bevor er seinen Text schrieb, seinen rosa Wollpullover in der Mülltonne versenkte und seinen auf Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen abonnierten Fernsehapparat aus dem Fenster seines Einfamilienhauses warf.
Ein zweiter thematischer Schwerpunkt hat sich zufällig rund um den Vogel an sich gruppiert: mit einem Landvogeldrama, aufgezeichnet von Cordula Simon; mit Teresa Präauers schrägen Vogelmenschenskizzen, die nahtlos an ihren Text worüber die vögel ziehen aus Heft 18 anschließen. Und auch Sophie Reyer greift in einer Buchbesprechung das Vogelthema auf. Ein anderes Thema hat das vorliegende Heft jedoch durchwirkt wie kein anderes, und das war gewissermaßen Sinn der Übung: die Rede ist von DER Krise, die sich seit Monaten als dunkler Schatten über die Marktwirtschaft legt, worüber einigen schon das Lachen vergangen ist, während andere noch immer glauben, DIE Krise wäre lediglich eine drei Grad unterhaltsamere, besonders hartnäckige Variante vom Villacher Fasching. Nix da! Caroline Fürholzer, Ernst Kilian und Vasile V. Poenaru entführen uns in die Krisenherde Wien, Berlin und Bukarest; Bernhard Horwatitsch erklärt derweil von München aus, wie die Mongolen ihre Anführer hinzurichten pflegten; und Erich Schirhuber wünscht sich, dass der Ernst des Lebens jetzt zu seinem Recht kommt. Dass uns trotz Alter, Tod und Einsamkeit – mit denen sich Anna Weidenholzer, Doris Neidl und Katharina Bendixen beschäftigen – das Lachen nicht vergeht, dafür sorgen die Kabarettisten. Ob die in der Krise witziger sind als sonst, das wird Kabarettexpertin Iris Fink vom Österreichischen Kabarettarchiv gefragt. Und sie negiert.
Eine wie immer anregende Lektüre wünsche ich im Namen der Redaktion!