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Heft 43

Erschienen in Heft 43, über musik
Ressort: Feuilleton

Exotica des Wahnsinns:
Is it a dream – or a nightmare?

Clemens Marschall

Eine einsame Insel, der Sandstrand unendlich, im Wellenrhythmus wogende Palmen spenden Schatten; die Geräusche der Wildnis und des rauschenden Meeres dringen aus dem Hintergrund, während tanzende Einheimische exotische Cocktails reichen: Willkommen auf Tiki Island!

Schade nur, dass man diese Insel auf der Landkarte vergeblich sucht. Sie ist kein geographischer, viel eher ein mentaler Sehnsuchtsort; ein Traum, der ab den 1950er
Jahren von der Westküste der USA aus wahrgemacht wurde: in Tiki-Bars, gefolgt von Tiki-Motels, Tiki-Bowlingbahnen, Tiki-Strip-Clubs und Tiki-Kinos. In denen wurden von der Tiki-Kultur inspirierte Filme gezeigt, etwa „Blue Hawaii“ und „Paradise, Hawaiian Style“ – beide mit Elvis Presley. Auch der King richtete sich in Graceland seinen tiki-esquen „Jungle Room“ ein – allerdings mit drei Fernsehern und anderem inselfernen Schnickschnack. Doch „Authentizität“ und „Tiki“ in einem Satz unterzubringen, das erfordert ohnehin einen breit angelegten Zerebralspagat; trotzdem gibt es in dieser obskuren Phantasiewelt einen gefühlten Sollzustand, und der speist sich aus verschiedenen Komponenten.

Eine wesentliche davon: in schmucken Tiki-Kelchen servierte, auf Rum basierende Cocktails, die an diesen eigenwilligen Orten erfunden wurden und sie zum Schwingen
bringen, etwa Mai Tai und Zombie. Hinter den Drinks steckt – neben der Suche nach dem ewigen Elysium – eine eigene Wissenschaft. Und hinter der Exotica-Musik, die diese Atmosphäre erst vollendet: zahlreiche Genies.

Übervater dieses musikalischen Genres war Les Baxter, ihm folgten phantasiebegabte Großmeister wie Martin Denny und Arthur Lyman, die Donnergroll-Prinzessin Yma
Sumac, der bizarr verkleidete Organist Korla Pandit und der wahrhaft übergeschnappte Kompositeur Juan García Esquivel. Zu ihren Biographien lieferten viele Aushängeschilder sagenhaft-schwindliche Artistenlegenden mit mehr Wunschdenken als verifizierten Stammbäumen. Wie die gesamte Tiki-Welt ist auch die Exotica-Musik ein Mischmasch aus unterschiedlichen Kulturen, aber sogar noch variabler und geographisch in keiner Weise begrenzt – selbst der Weltraum wurde erobert.

 

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