Am Morgen des 28. Aprils 1982, eines einigermaßen sonnigen Mittwochs, war ich mit dem „Rennsteigexpress“ der Deutschen Reichsbahn von Halle an der Saale nach Ost-Berlin, der „Hauptstadt der DDR“, unterwegs, weil ich knapp einen Monat vor der deutschen Erstaufführung des Volksoratoriums To Axion Esti, das ich unter enormem Zeitdruck nachgedichtet hatte, zur Uraufführung einer Sinfonie eingeladen war, der 3. Sinfonie für Sopran, Chor und Orchester, die wie das Volksoratorium aus der Feder des Griechen Mikis Theodorakis stammte. Ich schwöre: Es handelte sich wirklich um Theodorakis’ dritte Sinfonie, das ließ sich nachweisen. Bei den anderen Sinfonien war das mit den Zahlen so eine Sache. Einmal hatte mich Theodorakis gefragt, ob es irgendeinen vernünftigen Grund gäbe, warum man sich bei der Nummerierung seiner Werke sklavisch an die herkömmliche Zahlenabfolge halten solle. Tatsächlich veröffentlichte er zwei Jahre nach der dritten Sinfonie die siebente und wieder drei Jahre später die vierte. Aber das wussten wir damals noch nicht.
Ich wollte mir die Endprobe anhören, die an der Komischen Oper stattfinden würde, und dabei die Gelegenheit beim Schopfe packen, mit dem Meister ein paar Worte zu wechseln. Zu diesem Zweck musste ich mir erst einmal zweieinhalb Stunden lang die Beine in den Bauch stehen, weil im Zug natürlich kein Sitzplatz frei war. Zufällig begegnete ich im selben Waggon meinem Ex-Chef Dietrich Sommer, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg eine Professur für Literatursoziologie innehatte. Aus Gründen der Solidarität leistete er mir im Gang Gesellschaft, obwohl er einen Sitzplatz gehabt hatte.
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