Keine Geschichte von Gut und Böse.
Ein verstörender Gedanke, der mich in letzter Zeit mit einer Regelmäßigkeit heimsucht, die zu dieser Verstörung noch zusätzlich beiträgt, ist, dass, sollte es einmal zu apokalyptischen, endzeitlichen Umständen kommen (also die bisherige Versorgung mit Nahrung, Wasser und Strom zusammenbrechen), ich kaum eine Chance hätte, länger als ein paar Tage zu überleben. Ich bin weder besonders kräftig noch bewandert in Dingen wie Jagd, Botanik, Selbstverteidigung, Handwerk und vielen anderen Feldern, auf denen Kenntnisse zu meinem Überleben beitragen oder mich für andere als Teil ihrer Gruppe an Überlebenden interessant machen könnten. Mein ganzes bisheriges Berufs- und Erwachsenenleben habe ich der Literatur gewidmet, philosophischen Fragen, gesellschaftlichen Zusammenhängen und wie man sie ausdrücken, unter die Leute bringen kann. Solange es Gesellschaften gibt, in denen Gedanken und Künste eine Rolle spielen, und diese Gesellschaften es sich leisten können, sie zu fördern (oder ihnen zumindest zu frönen), sehe ich meine Zukunft zwar mal heller, mal dunkler, aber ich kann sie mir vorstellen und an sie glauben. In einer Welt ohne Kunst (und vielleicht Kultur allgemein) wäre alles, was ich bisher gelernt habe, nutzlos. All mein Wissen, das ja quasi einen (wenngleich eher zierenden als fundamentalen) Teil des Bollwerks darstellt, über Jahrhunderte von Wissenschaftler:innen und Künstler:innen errichtet gegen alles, das nicht zivilisiert ist, wäre in einer Welt, deren Infrastruktur (erbaut auf eben diesem Wissen) zusammengebrochen ist, nur noch eine Ansammlung idealistischer, luxuriöser Relikte, völlig zwecklos für die drängenden (täglichen) Fragen nach der nächsten Mahlzeit, sauberem Trinkwasser etc.
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