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Heft 45

Erschienen in Heft 45, kinderleicht
Ressort: Feuilleton

White Collar

Karin Haller

Klassische Kinderliteratur und Political Correctness

Wie politisch korrekt kann, soll, muss die Kinderliteratur sein? Wie sollen Klassiker an eine Sprache angepasst werden, die Menschen nicht aufgrund bestimmter Merkmale wie Geschlecht, Körpergewicht oder Hautfarbe diskriminiert? Wer befindet darüber, wie diese Sprache auszusehen hat? Wie weit gehen die Diskussionen, Änderungen, Normierungen?

Zur Klarstellung: Es ist glücklicherweise schwer vorstellbar, dass in einem 2024 geschriebenen und in einem professionellen Verlag publizierten Kinderbuch diskriminierende Begriffe für Roma und Sinti oder N-Wörter unkommentiert vorkommen – im folgenden Beitrag stehen ältere Texte und nachträglich an ihnen vorgenommene Veränderungen zur Diskussion.
Um das in jeder Hinsicht komplexe Thema einigermaßen in den Griff zu bekommen, werde ich es eingrenzen: Sprachliche Bearbeitung ja oder nein und wenn ja, wie sehr? Lässt sich diese Frage überhaupt pauschal und allgemein beantworten? Spoiler: Wenn eine rhetorische Frage so gestellt wird, lautet die Antwort darauf meistens: Nein. Weil es eben darauf ankommt, wer sie wann und wo beantwortet.

Beginnen wir mit dem Wo, weil es am einfachsten ist. Es ist nachvollziehbar, dass es einen Unterschied macht, ob die Einschätzung politisch korrekter Sprache in einem demokratischen oder einem totalitären System öffentlich geäußert wird. Stichwort: Zensur.
Aber auch das Wer ist von großer Bedeutung. Ein literarisches Werk zu schreiben und zu veröffentlichen, und als solches werden Kinderbücher hier betrachtet, bedeutet für die Beteiligten immer auch, Entscheidungen treffen zu müssen.

– Die Autor:in wählt bewusst diese oder jene Worte, um seine bzw. ihre Geschichte zu erzählen, einen Schauplatz zu gestalten, die Figuren zu charakterisieren, einen Sachverhalt zu klären.

– Der Verlag entscheidet, welche Begriffe bleiben oder verändert bzw. ganz gestrichen werden. Das tut er übrigens immer, nicht nur im Falle der sog. politischen Korrektheit, Stichwort Lektorat, dabei geht es etwa um stilistische Fragen, innere Logik oder Verständlichkeit. Ein Mainstreamverlag, dem vor allem breiter Absatz wichtig ist, wird Austriazismen wie „Polster“ oder „Jause“, nicht ohne weiteres im Buch belassen, die jenseits der Weißwurstgrenze auf Unverständnis stoßen. Ein Verlag wiederum, der auf ein hohes künstlerisches Profil und maximalen Respekt vor der ursprünglichen Wortwahl der Autor:in Wert legt, wird die österreichischen Begriffe unangetastet lassen und gegebenenfalls mit Fußnoten versehen oder in einem Glossar erklären.

– In der Vermittlung wird die Frage, welche Wortwahl angemessen ist, im Kontext der Vermittlungssituation entschieden: Eine Lehrperson, die ein Buch als Klassenlektüre einsetzt oder eine Bibliothekar:in, die es auf eine Empfehlungsliste nimmt, wirft einen anderen Blick darauf als eine Jury, die ausschließlich die künstlerischen-ästhetischen Aspekte des Werks beurteilt.

 

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