oder: Wenn der Schnuller am Grillplatz an der Torte der Freiheit nascht
Haben Sie auch schon mal Marillenkuchen gekackt statt gebacken, Hoden amputiert statt Hosen anprobiert, ihr Kind gekillt statt gestillt oder ihrem Partner ewige Leber geschworen? Dank Autokorrektur werden täglich tausende dieser Buchstabendreher und Nonsens-Kreationen über den Äther geschickt. Schon vor 30 Jahren verursachte die Autokorrektur peinliche Fehler, als Microsoft in Word 97 eine integrierte automatische Rechtschreibprüfung einführte. Die kalifornische Stadt Cupertino kam damals in hochoffiziellen Dokumenten der EU zu Ehren, da das Programm aus jeder Kooperation ein kleines Cupertino machte.
Weniger glamourös waren die Erfahrungen der Stadt Scunthorpe mit der neuen Texterkennungssoftware. Entwickelt, um den Schreibprozess zu erleichtern, Tippfehler zu korrigieren und oft verwendete Wörter vorherzusagen, wurden die Programme auch in der Spamsoftware zur Erkennung potentiell gefährlicher oder obszöner Inhalte eingesetzt. Pech für Dick Cunning, Herrn Möseneder oder eben die Stadtverwaltung von Scunthorpe. Ihre E-Mails wurden blockiert oder in den Spamordner verschoben.
Ich persönlich hatte Anfang der 2000er etliche dieser sogenannten „Scunthorpe problems“. Die Presseaussendung für das Theaterstück Shoppen und Ficken des britischen Autors Mark Ravenhills wurde von sämtlichen Mailservern der Zeitungsredaktionen als Spam erkannt und gelöscht. Das Schreiben musste ausgedruckt, kuvertiert und zur Post getragen werden. Postämter waren damals ja noch fußläufig erreichbar. Um heute zu einem Postamt zu gelangen, müssen sie Paartanz am Handy texten.
Bei Shoppen und Ficken kann man der Spamsoftware keinen Vorwurf machen. Dass sie damals sogar die Medea von Grillparzer wegen der Buchstabenkombination Med für eine Viagra-Verkäuferin hielt und blockierte, war weniger verständlich. Auch wenn die tragische Heldin über ein gewisses pharmazeutisches Wissen verfügt und wohl nicht nur giftgetränkte Kleider für ihre Kontrahentinnen in petto hat. Auch wenn Grillparzer von der Autokorrektur beharrlich zum Grillplatz umgewandelt wird.
Dass eine Medea vom Grillplatz in einer zeitgenössischen Deutung des antiken Dramas uns tatsächlich kleine blaue Pillen andrehen will, ist etwas zu weit gedacht.
Und weit denken diese Programme nicht. Sie denken gar nicht. Sie rechnen. Die Rechnungen der frühe T9-Texterkennung (Text on 9 keys) waren einfache Additionen gepaart mit strengen Mustern und Regeln. Drückte der User im Textmodus auf der Tastatur einmal die 4 und dreimal die 2, schloss das Programm daraus, dass das Wort ich geschrieben werden sollte.
Der nächste Schritt Richtung menschlicher Sprachkompetenz und damit Künstlicher Intelligenz (KI) war die syntaktische und kontextuelle Analyse.
Analyse ist übrigens ein Wort, das Herr Möseneder nicht in der elektronischen Kommunikation nutzen sollte. Und Stückanalysen von Shoppen und Ficken lassen sich nur auf ganz wenigen Onlineplattformen veröffentlichen.
Die vollständige Version des Textes finden Sie in der gedruckten Ausgabe des Hefts.